Miriam Rehm, Vera Huwe, und Katharina Bohnenberger haben sich in einem Gutachten mit der Frage beschäftigt, wie soziale Ungleichheit und die Entstehung und Wirkung des persönlichen CO2-Fußabdrucks miteinander in Wechselbeziehung stehen.

Die Autorinnen fokussieren sich auf die 3 Ungleichheitsdimensionen „Emissionshöhe“, „Betroffenheit“ und „Klimaschutzmaßnahmen“ und kommen hierbei zu dem Schluss, dass:

a) Ungleichheit aus sich selbst heraus ein Emissionstreiber ist,
b) Klimaschutz eine proaktive Maßnahme gegen die Verstärkung von Ungleichheiten ist und
c) eine aufeinander abgestimmte Klima- und Verteilungspolitik für einen effektiven Klimaschutz und die Minimierung von Ungleichheit unabdingbar ist.

Die Hintergründe

Ungleichheit ist eine maßgebliche Ursache des Klimawandels, da der Anteil besonders schädlicher und zugleich vermeidbarer CO2-Emissionen am persönlichen Fußabdruck mit der Höhe des verfügbaren Einkommens steigt. Es existiert zwar die Möglichkeit, mit steigendem Einkommen auch energieeffizientere Produkte (Geräte) zu konsumieren (sparsameres Auto); dieser eigentlich positive Effekt wird aber durch Reboundeffekte (3 statt 2 Autos im persönlichen Besitz) mehr als aufgewogen.

Auf globaler Ebene kann von folgenden Daten ausgegangen werden:

Etwa die Hälfte der globalen Emissionen werden von den reichsten 10% der globalen Einkommensverteilung verursacht, während die untere Hälfte nur 10 % ausstößt.

Während auf globaler Ebene dieser Trend anhält, sinken seit den 1990er Jahren aber die CO2-Emissionen der niedrigen und mittleren Einkommensklassen in den sogenannten „reicheren Ländern“.

Zugleich wirkt der Klimawandel aber auch besonders negativ auf benachteiligte Gruppen, da diese sich beispielsweise nicht mit Hilfe der Technik vor Hitze schützen können, weil deren Wohngebiete eher durch Überschwemmungen gefährdet sind und weil in „ärmeren“ Regionen die Menschen ein deutlich höheres Risiko aufweisen, unter den Folgen des Klimawandels zu leiden.

Diese Ungleichheit ist auch auf globaler Ebene zu beobachten. Hinzu kommt: Während der globale Norden inzwischen einen beträchtlichen Kapitalstock aufgebaut hat, mit Hilfe dessen wirksamer Klimaschutz betrieben werden kann, belasten die historischen CO2-Emissionen, die sich aus diesem Wirtschaftswachstum ergeben haben, den globalen Süden. Die Belastung ergibt sich zum einen aus den Hitze- und Dürreperioden sowie Überschwemmungen infolge des Klimawandels und zum anderen daraus, dass dem Süden aus Klimaschutzgründen der Weg eines Wohlstandsaufbaus unter Nutzung billiger fossiler Energieträger nun verstellt ist.

Auf nationaler sowie globaler Ebene gilt:

„Eine gleichere globale Einkommensverteilung würde zu einer relativen Verschiebung des aggregierten Konsumkorbs von Luxus- zu Grundgütern führen.

Und:

„Hohe Ungleichheit schränkt somit die Effektivität klimaschützender Politiken tendenziell ein oder verhindert sogar deren Zustandekommen.“

Die Lösungsansätze

Im Konsens mit einem Großteil der KlimaökonomInnen stellen die Autorinnen fest:

„Die Reduzierung der CO2-Intensität und der Ausbau erneuerbarer Energien allein reichen nicht mehr aus, um eine gefährliche Klimaerhitzung zu verhindern. (…) Eine auf Green Growth basierende Klimaschutzstrategie ist folglich nicht mehr ausreichend.“

Daher kritisieren sie auch die Fixierung auf marktbasierte Maßnahmen zur Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Energieinput sowie Ressourcennutzung, da diese Entkopplung beim Blick auf historische Daten nicht annähernd so wirksam gewesen ist, wie dies für die Zeit bis 2050 dringend notwendig wäre. Einer zu engen Fixierung auf CO2-Steuer (da weder hinreichend noch optimal) und Emissionshandel unter Auslassung nachfrageseitiger Maßnahmen erteilen sie daher nachvollziehbar auch eine Absage.

Die Autorinnen schlagen drei Ansätze für eine integrierte Klima- und Verteilungspolitik vor, die damit eher die Nachfrageseite in den Blick nehmen (und sich damit auch an der Strategie des US-Inflation Reduction Act orientieren):

  • Erstens ist die sogenannte „fossile Konversion“ der Produktion denkbar. Wenngleich am wirksamsten, ist dieser Lösungsansatz doch am schwierigsten umzusetzen. Der fossile Energieinput zieht sich durch die gesamte Wertschöpfungskette und führt zu Geschäftsmodellen, die letztlich im Kern die Zerstörung unserer Umwelt als Voraussetzung für die Erzielung betrieblichen Profits voraussetzen. Als ein Beispiel wird die autofixierte individuelle Mobilität und die damit einhergehende Zersiedlung, die auf billiger fossiler Energie baut, genannt. Preisgünstige fossile Energie ermöglichte ein Geschäftsmodell, das unter Nachhaltigkeitsaspekten ökonomisch gar nicht sinnvoll wäre.
    Mit Blick auf dieses Beispiel konkretisieren sie entsprechend:
    „Nicht nur der Verbrennungsmotor als Produktaspekt, sondern das Geschäftsmodell der Industrie als Ganzes ist nicht nachhaltig.“
  • Zweitens könnte den Konsumenten ein Klimakredit gewährt werden. Hierbei geht es um den subventionierten Bezug von Produkten zur Abdeckung eines Grundbedarfs an Konsum. Geht der Grundbedarf in Überkonsum über, so müsste der übliche Marktpreis bezahlt werden. Die Autorinnen verweisen in diesem Kontext auf existierende Messung zur Feststellung des Grundbedarfs. Zugleich könnte bei der Identifizierung des Grundbedarf auf eine besonders ökologische Ausrichtung der Produkte geachtet werden. Bei der Gestaltung der Energiepreisbremse war ein vergleichbarer Ansatz diskutiert worden.
  • Drittens könnte ein „Klimasoli“ in Form einer progressiven Nutzungsabgabe auf energieintensiven Überkonsum dazu dienen, ökologisch schädlichen Überkonsum zu verhindern und die dadurch generierten Einnahmen für Klimaschutzmaßnahmen zu nutzen.

Die Daten zeigen,…

dass ein CO2-Preis in der Vergangenheit zwar den Übergang zu emissionsärmeren Energieträgern befördert hat, das fossile Geschäftsmodell am Ende aber sogar gestärkt hat. Zudem hat sich das Instrument als zu langsam wirkend erwiesen, um mit Blick auf die Emissionspfade der Zukunft als alleiniger Ansatz ausreichend sein zu können. Die Autorinnen sind daher bezüglich der Ordnungspolitik eindeutig:

Regulierung ist wirksamer, um Handlungen zu verhindern, die viele Menschenleben bedroht.

Auch dem Ansatz eines nahezu ausschließlich technisch basierten Klimaschutzes erteilen sie eine Absage, da die technisch induzierten Anpassungspfade längst außerhalb der notwendigen Emissions-Pfade liegen.

Die Autorinnen vermuten, dass sich in Deutschland ein Großteil des Widerstandes gegen eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft als Folge der Einkommensungleichheit ergibt. Zudem betonen sie den Einfluss konservativer Medien sowie eine ins Verharren verzerrte Wahrnehmung der Transformationsbereitschaft der Bevölkerung durch die Politik.

Das Gutachten ist von einer spannenden interdisziplinären Sichtweise und etlichen Literaturverweisen gekennzeichnet. Die Autorinnen gehen absolut systematisch vor und nehmen den Lesenden mit auf eine spannende Reise. Es lohnt sich, einen Blick auf den Text zu wagen.

Policy Brief zum Thema: Policy Brief 2023 | 04: Ökologische Transformation fair gestalten: Die soziale Frage ist keine Nebensache (bertelsmann-stiftung.de)

Klimasoziale Transformation - Klimaschutz und Ungleichheitsreduktion wirken Hand in Hand
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Die vorliegende Studie untersucht die Frage, welche Rolle Ungleichheit bei der Schaffung von Wohlstand für alle innerhalb planetarer Grenzen spielt, und in Verbindung damit, ob es einen Zielkonflikt zwischen Verteilungsgerechtigkeit und ökologischer Nachhaltigkeit gibt. Wir beleuchten drei Ungleichheitsdimensionen der Klimakrise und deren Wechselwirkungen mit Einkommens- und Vermögensungleichheit: 1. die Ungleichheit hinsichtlich der Emissionshöhe und der Verursachung der Klimakrise 2. die Ungleichheit hinsichtlich der Betroffenheit durch Klimaschäden 3. die Rolle von Ungleichheit bei Klimaschutzmaßnahmen
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