Wir gehen verschwenderisch mit unseren Ressourcen um. Weltweit enden mehr als 90 Prozent der von Menschen verarbeiteten Rohstoffe als Müll – und dies bei ständig steigendem Rohstoffverbrauch. Das Konzept der Zirkulären Wirtschaft tritt dem entgegen. Wirtschaftliches Wachstum soll vom Verbrauch natürlicher Ressourcen entkoppelt werden. Was steckt hinter dem Konzept?
Das Thema Nachhaltigkeit wird aktuell vielfach auf die Klimakrise reduziert
Doch nicht allein der Ausstoß klimaschädlicher Emmissionen ist für die Menschheit überlebenskritisch. Bereits 2009 hat die Forschungsgruppe um Johan Rockström gezeigt, dass auch weitere nicht weniger wichtige ökologische Belastungsgrenzen („Planetary Boundaries“) von der Menschheit verletzt werden. Neben der Veränderung des Klimas gehören dazu das anhaltende Artensterben durch Eingriffe in die Biosphäre, die Veränderung biogeochemischer Kreisläufe und die Einbringung neuer Substanzen und Organismen in die Umwelt.
Triebkraft alll dieser Prozesse ist unser Umgang mit den natürlichen Ressourcen, die der Planet und seine Ökosysteme uns zur Verfügung stellen. Alle aktuell vorherrschenden Formen des Wirtschaftens sind linear gestaltet: Rohstoffe werden entnommen, zu Materialien und Produkten verarbeitet. Im anschließenden Nutzungsprozess verlieren Materialen und Produkte ihren Wert. Übrig bleibt Müll.
Rohstoffhunger und Müllberg
Und der Rohstoffhunger der globalen Wirtschaft steigt Jahr um Jahr. Der Circularity Gap Report 2022 zeigt, dass sich in den zurückliegenden 50 Jahren der weltweite Rohstoffverbrauch nahezu vervierfacht hat und damit schneller wächst als die globale Bevölkerungsentwicklung. Im Jahr 1972 wurden weltweit 28,6 Milliarden Tonnen Rohstoffe verbraucht. Bis zum Jahr 2000 stieg der jährliche Verbrauch auf 54,9 Milliarden Tonnen und im Jahr 2019 überschritt er die Schallmauer von 100 Milliarden Tonnen. Allein im Jahr 2014 verbrauchte jeder Mensch in Deutschland im Schnitt 16,1 Tonnen Rohstoffe.
Der Circular Gap Report 2022 zeigt auch, dass aktuell über 90 Prozent dieser einmal in den Wirtschaftsprozess eingebrachten Rohstoffe als Müll enden. Global gesehen, gelangen heute nur 8,6 Prozent durch Recycling oder andere Formen der Wiederaufarbeitung in den Wirtschaftskreislauf zurück.
Zwar stieg die Gesamtrohstoffproduktivität der deutschen Wirtschaft in den letzen Jahren leicht an (ein Prozentpunkt von 2017 auf 2018). Dennoch kehren auch hier weiterhin nur wenige der Rohstoffe und verrarbeiteten Materialien in den Wirtschaftskreislauf zurück.
Nur etwas mehr als 12 Prozent der eingesetzten Rohstoffe werden durch Recycling oder andere Formen der Wiederaufarbeitung neu nutzbar gemacht. In den Niederlanden gilt dies für mehr als 30 Prozent der Materialien, in Belgien, Frankreich und Italien für mehr als 20 Prozent.
Dies zeigen Zahlen von Eurostat.
Circular Economy
Einen grundlegenden Wandel strebt das Konzept der Circular Economy oder Zirkulärwirtschaft an. Dieses Konzept setzt der scheinbar unausweichlichen Logik der Linearität von Extraktion, Verarbeitung, Nutzung, Entwertung und Entsorgung einen grundsätzlich veränderten Umgang mit Rohstoffen, Materialen und Produkten entgegen.
Ziel ist die effektive Reduzierung der Entnahme von Rohstoffen aus der Natur und die Minimierung – ja der Abbau – der Müllberge. Erreicht werden soll dieses Ziel durch die gezielte Kreislaufführung von Materialien, Komponenten und Produkten. Der Wert von Produkten und Materialien soll so lange wie möglich erhalten bleiben.
Ansätze von Recycling oder Abfallbewirtschaftung, wie etwa vom deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012 definiert, hinaus. Circular Economy setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz mit völlig verändertem Blick auf die Werthaltigkeit von Ressourcen und Materialien.
Ein ganzes Bündel von zirkulären Wertschöpfungsstrategien soll dazu führen, dass (a) Rohstoffe und Materialien grundsätzlich eingespart, (b) Materialien und Komponenten im Idealfall in geschlossenen Materialkreisläufen wiederverwendet werden und (c) die Lebensdauer von Produkten grundsätzlich erhöht wird.
Entsprechend ihrer englischen Bezeichnung – reduce, reuse, repair, refurbish, remanufacture, repurpose, recover, recycle u. a. – werden die zirkulären Wertschöpfungsstrategien üblicherweise als R-Strategien bezeichnet. Es gibt unterschiedliche konzeptionelle Zugänge, die die R-Strategien auf jeweils eigene Art zusammenstellen und sortieren.
Skepsis gibt es mancherorten noch. Doch diese weicht zusehends einem offenen und lösungsorientierten Diskurs. Denn klar ist: zirkuläre Wertschöpfungsstrategien bringen positive ökologische und ökonomische Effekt. Zudem haben sie das Potenzial, unabhängiger zu machen von Rohstoffverteuerungen und -verknappungen. Dies haben viele Unternehmen erkannt und erproben einzelne zirkuläre Wertschöpfungsstrategien für sich oder im Verbund.
Impulse hierzu kommen vielfach aus gesellschaftlichen Initiativen (Circular Futures, Circular Valley), aber auch Verbünde von Innovationsnetzwerken und Forschung (Circular Economy Initiative Deutschland, CirQuality OWL) und Kommunen im Verbund mit Unternehmen (Lippe Zirkulär, circular Berlin, Circular Munich, CircularOWL, bergisch.circular) sind bereits initiativ geworden.
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Forschungshubs bilden sich heraus, u. a. an der TU München, der FH Bielefeld, dem Prosperkolleg in Bottrop, an der Leuphana in Lüneburg oder dem Wuppertalinstitut, um nur einige zu nennen. Unternehmens- und Branchenverbände wie der BDI greifen das Konzept in eigenen Initiativen auf und tragen es vermehrt in die Diskussion mit Unternehmen.
Auch die Politik erkennt zunehmend den Wert des Konzepts. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen sind schon länger aktiv, etwa über die Effizienzagentur NRW, den Runden Tisch Zirkuläre Wertschöpfung oder in Form von Studien, die die Potenziale zirukuärer Wertschöpfung für das Land ausloten. Die aktuelle Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, eine nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie aufzustellen. Schon im März 2020 wurde der Circular Economy Action Plan auf europäischer Ebene verabschiedet. Und auch im European Green Deel spielt die Zirkulärwirtschaft eine zentrale Rolle.
Circular Economy ist ein Konzept, das immer mehr Raum greift. Entscheidend für die Umsetzung wird in den kommenden Jahren sein, wie in materialverarbeitenden Branchen Kreisläufe initiiert, erprobt und letztlich konkret in veränderten Entwicklungs- und Produktionsabläufen etabliert werden und wie dabei neue Geschäftsmodelle entstehen.
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