Alles dreht sich, alles bewegt sich – Digitalisierung, Automatisierung oder Internet der Dinge tragen zur Flexibilisierung der Arbeitswelt bei. Positiver Nebeneffekt: Auch die betriebliche Mobilität wird neu gedacht, damit bietet sich eine große Chance für mehr Nachhaltigkeit. Doch wie nutzen wir sie sinnvoll?
Keine Frage, Arbeit, Mobilität und Nachhaltigkeit hängen untrennbar zusammen. Nur, wenn auch alle Bereiche gemeinsam gedacht werden, erreicht man eine erfolgreiche, nachhaltige Transformation. Diese Erkenntnis ist vielleicht nicht ganz neu, aber herausfordernd, denn klassische Organisationsmodelle stoßen hier an ihre Grenzen. Was wir daher als erstes brauchen, sind eine neue Gestaltungsperspektive sowie passende Organisationsformen, die eine Veränderung der Denkweise vom Silo-Denken hin zum Systemdenken ermöglichen. Ein gutes Modell wäre eine cross-funktionale Organisation, in der vernetze Teams bereichsübergreifend arbeiten.
Wenn die Bereiche Arbeit, Mobilität und Nachhaltigkeit schwer zu trennen sind, wie sieht es dann mit betrieblicher und privater Mobilität aus? Es fällt schwer, hier eine klare Grenze zu ziehen. Arbeitswege, Arbeitszeiten, aber auch Freizeitaktivitäten entscheiden oft darüber, wie man seine Mobilität organisiert und ob man ein Auto anschafft. Beim Firmenwagen verwischt die Trennlinie zwischen privat und geschäftlich sogar gänzlich.
Was benötigen die Mitarbeitenden wirklich?
Nicht ohne Grund zählt mobiles Arbeiten zu den Bausteinen des betrieblichen Mobilitätsmanagements: Die Einführung ist ein wichtiger Schritt, denn so entfallen die klassischen Berufswege oder lassen sich zumindest reduzieren. Das geht natürlich nicht bei allen Berufsgruppen und bei allen Tätigkeiten. Technische Hilfen wie Apps und nachhaltige Angebote sind ein wichtiger Anreiz, aber nicht entscheidend. Vielmehr sind Flexibilität und Mut gefragt, die Dinge komplett neu zu betrachten.
Der entscheidende Punkt ist, dass der Prozess aus der Perspektive der Mitarbeitenden gedacht werden muss. Es braucht nicht noch mehr Angebote, sondern die passenden.
Hierfür sollte man zunächst die Bedürfnisse der Mitarbeitenden betrachten, einschließlich der individuellen Lebenssituationen. Eltern, die den Firmenwagen dafür nutzen, um den Spagat zwischen Selbstverwirklichung, Beruf und Kindern zu stemmen, wird eine BahnCard 100 als Alternative zum Auto wahrscheinlich weniger helfen. Und überhaupt: Was sagt der Partner dazu, wenn man den gemeinsam genutzten Firmenwagen gegen eine einzelne BahnCard eintauschen möchten? Und was bedeutet das für Alternativangebote?
Bevor also neue Angebote, Anreizsysteme oder Unternehmensrichtlinien aufgestellt werden, sollte man genau hinschauen: Was brauchen die Mitarbeitenden wirklich? So berufen sich Eltern, die kleinere Kinder in der Betreuung haben, auf das Auto, um im Notfall schnell in der Kita sein zu können. Wer die Gründe versteht, kann deutlich einfacher Angebote entwickeln, die flexibel und nachhaltig zugleich sind. Im genannten Beispiel könnte ein einfacher Taxigutschein den Eltern helfen. Wer mit den Öffentlichen zur Arbeit kommt, kann im Notfall auf Firmenkosten mit dem Taxi zur Kita fahren. Das wird wahrscheinlich selten vorkommen, aber allein die Garantie beruhigt und kann daher schon viel bewirken.
Wer auf das Flugzeug verzichtet, gewinnt Urlaubstage
Einige Unternehmen gehen mit gutem Beispiel voran: Das Verlagshaus Gutekunst aus Bonn gewährt seinen Mitarbeitenden Ausgleichstage, wenn sie in ihrer Freizeit auf das Flugzeug verzichten. Die „No-Flight-Days“ sollen den größeren Zeitbedarf bei der Anreise mit alternativen Verkehrsmitteln in Urlaubsregionen kompensieren. Diese Bonus-Tage sind nur eine von mehreren Maßnahmen, die der Verlag initiiert hat.
Das Beispiel zeigt, dass Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Verkehrswende spielen und über betriebliche Mobilität hinaus Anreize für eine nachhaltige Transformation schaffen können.
Klassische Richtlinien bilden so etwas nicht ab. Unternehmens- und Personalabteilungen, Betriebsräte und Reisemanagement können das aber gemeinsam lösen, wenn die Strukturen dafür geschaffen werden. Kleine Unternehmenseinheiten oder Tochtergesellschaften könnten Vorreiter solcher Ansätze sein, da sich dort solche Maßnahmen schneller umsetzen und auch gut testen lassen. Die Ergebnisse und Erfahrungen könnte man später dann auf das ganze Unternehmen anwenden.
Einige wenige Einzelmaßnahmen reichen nicht
In der Realität sieht es bei Thema betriebliche Mobilität oft noch ganz anders aus. Firmenautos mit Verbrennungsmotor werden gerne durch Hybrid- oder vollelektrische Fahrzeuge ersetzt. Die Effekte für die Umwelt sind bei so einem Eins-zu-Eins-Tausch allerdings eher gering. Firmenräder (Leasingräder) sind ein beliebtes Instrument. Für Firmenreisen gibt es teilweise Klauseln, die bis zu einer gewissen Kilometerzahl die Nutzung der Bahn vorgeben. Natürlich, das sind alles Schritte in die richtige Richtung, nur lassen sich mit einigen Einzelmaßnahmen nicht die nötigen Transformationseffekte erreichen, die unsere Umwelt bräuchte.
Fazit: Wenn wir Arbeit, Mobilität und Nachhaltigkeit als ein gemeinsames System verstehen, können wir viel besser den Wunsch der Mitarbeitenden nach Individualisierung bedienen. Dazu kommt, dass Modelle, die flexibel und familienkompatibel sind, auch der entscheidende Faktor im Wettbewerb um Mitarbeitende sein können. Alles, was wir für dafür brauchen, sind Mut, Kreativität und den Willen, etwas nachhaltig verändern zu wollen. Am Ende gewinnt nicht nur die Umwelt, auch die Mitarbeitenden profitieren vom Wandel.
515 mal gelesen
Diese Aussage kann man nicht oft genug bringen:
„Der entscheidende Punkt ist, dass der Prozess aus der Perspektive der Mitarbeitenden gedacht werden muss. Es braucht nicht noch mehr Angebote, sondern die passenden.“
Danke!
Ein Gedanke allerdings fehlt mir: Ich denke, wenn es darum geht Arbeit & Mobilität neu zu denken, dann muss das Thema Arbeitsort und dessen (gemeinsam abgestimmte) Wahl auch eines sein. Mit dem Ziel Wege ins Büro, zum Kunden oder zur Veranstaltung so zu gestalten, dass davon möglichst wenige anfallen.