Die Digitalisierung ist nicht aus sich heraus nachhaltig, vielmehr können Unternehmen nur dann wirklich nachhaltig in ihren Produkten und Dienstleistungen werden, wenn sie ernsthaft digital und neu arbeiten. Und deshalb ist Nachhaltigkeit eng verknüpft mit Digitalisierung und Neuer Arbeit – das ist die Ausgangsthese, um die es in diesem Gespräch geht.
Damit werden New Work, Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu den entscheidenden Eckpfeilern einer zukunftsfähigen Wirtschaft. Aber können wir das in den Unternehmen verankern? Was braucht es, um wirklich nachhaltig zu arbeiten und zu innovieren? Darüber diskutieren Janine von Wolfersdorff, Steuerberaterin und Expertin für Sustainable Finance, und Hannes Payne, Team Lead in der Transformations- und Komplexitätsberatung der Volkswagen Group Services Consulting, mit Ole Wintermann von der Bertelsmann Stiftung und Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für Neue Arbeit.
Beim Klima ist nicht schluss!
Die Krux: Eine solche zukunftsfähige Transformation im Unternehmen äußere sich erst einmal negativ in den Bilanzen, sagt Janine von Wolfersdorff, und sie „wird finanziell und steuerlich bei Weitem nicht hinreichend staatlich gefördert“, kritisiert sie. Es geht ihr vor allem um das Bewusstsein von planetaren Belastungsgrenzen in unserem Wirtschaften – etwas, das wir bisher noch viel zu wenig im Blick haben. „Beim Klima ist nicht Schluss“, sagt sie – auch Wasser oder Biodiversität seien relevante Bereiche. Dafür brauche es ein Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft – die Politik müsse die Rahmenbedingungen setzen und die Wirtschaft müsse erkennen, dass es nicht um Ideologie gehe. „Das kann nur simultan funktionieren“, sagt sie.
Die Lageberichte der Unternehmen klammerten Klimarisiken aus und seien daher heute nicht mehr entscheidungsrelevant, sagt sie. „Ein Unternehmen, das sich transformiert, müsste entsprechend berichten, welche Effizienzpotenziale es hebt, dass es seine Lieferkette im Griff hat oder sich sicher ist, dass es keine Gewährleistungsrisiken eingeht, dass es Werte und Ertragspotenziale schafft und Risiken minimiert – und die Unternehmen, die das nicht machen, müssten im Gegenzug reinschreiben, dass sie wesentliche Risiken haben. Das muss deutlich sein! Die Unternehmen, die sich transformieren, die Zukunftswerte schaffen, warum sehen wir das in der Rechnungslegung nicht? Das ist ein entscheidender Fehler!“ Denn Rechnungslegung sei zuallererst eine Konvention, betont sie.
Ähnliches gelte für Bilanzen: „Wenn ich das Pariser Klimaabkommen in meinem Konzern umsetze – warum sind das Aufwendungen, die mir erst einmal die Bilanz verhageln?“, fragt sie. Stattdessen sei es doch eher andersherum: Die fossilen Risiken der Unternehmen seien gar nicht richtig bewertet und nicht richtig im Controlling und im Risikomanagement eingepreist.
„Ohne einen echten Paradigmen-Wechsel im Steuersystem wird das nicht funktionieren“, meint Janine von Wolfersdorff. „Wie wäre es, wenn Unternehmen, die Paris-konform – also klimafreundlich – wirtschaften, weniger Körperschaftssteuer zahlen?“, fragt sie. Es brauche einen smarten Mix aus niedrigerer Besteuerung, Einzelsubventionen und Fördermitteln.
Was im Volkswagen-Konzern schon heute passiere, beschreibt Hannes Payne so: Nachhaltigkeitsziele würden heruntergebrochen und „streng verzielt“, so formuliert er es, und das bedeute konkret: Steuerungssysteme, IT-Unterstützung, Prozesse, Methoden und Zusammenarbeitsmodelle würden genau angeschaut und angepasst, um auf den „Leitstern“ der Nachhaltigkeit einzuzahlen. Es würde sehr viel investiert und dafür viele Experten und Expertinnen in die Organisation geholt. Auch die Arbeit an der Utopie finde statt – und würde besonders auch durch den VW-Chef Herbert Diess getrieben, der das Thema immer wieder setze.
Gerade für Payne in der Beratung sei die leitende Fragestellung: Was können wir tun in unseren Entwicklungsprozessen, um Nachhaltigkeitskriterien festzuhalten und sie in den Produktentstehungsprozess zu integrieren?, fragt er. Das, fügt Janine von Wolfersdorff an, müsse aber, um wirklich wirksam zu werden, mit konkreten Finanzdaten verknüpft werden, um es messbar zu machen.
Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit
Diese Veränderungen gehen auch mit Veränderungen der Zusammenarbeit einher – die Umsetzung von Nachhaltigkeit ist eng verknüpft mit neuen Formen der Zusammenarbeit. „Die Themenstellungen, mit denen wir uns in der Transformation auseinandersetzen müssen, sind nicht mehr in einzelnen Silos verhaftet, sondern da ist eine Interdisziplinarität der Themen und der Wissensträger ganz entscheidend“, sagt Hannes Payne. Er meint: „Wir müssen uns in die Realität des Einzelnen hineinversetzen und überlegen: Was ist eine Zukunft für diesen Menschen, die erstrebenswert ist, für die es sich lohnt zu ändern? Und das muss gemeinsam passieren.“ Er fordert, wir sollten von sachlich-fachlichen Argumenten in eine emotionale Diskussion kommen – denn nur so könnten argumentative Wände überwunden werden.
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Das Gespräch führten Ole Wintermann von der Bertelsmann Stiftung und Inga Höltmann, Journalistin und Expertin für die Themen Kulturwandel, Neue Arbeit und moderne Führung, und Gründerin der Accelerate Academy, einer Plattform für Neue Arbeit und Neues Lernen, um Menschen und Unternehmen in ihrer Transformation zu unterstützen.
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Interessanter Beitrag. Bin Landwirt und darüber hinaus bezeichne ich mich anstatt Querdenker, lieber als Überkreuzdenker. Das Große Thema „Nachhaltigkeit“, mit all seinen
Untersetzungen bis hin , wie kann und sollte man Klimarisiken und den Verbrauch an Ressourcen im Unternehmen bilanzieren ist im weitesten Teil der Landwirtschaft noch
nicht wirklich angekommen. Will sagen, solange nur über Ziele und Wünsche gesprochen
wird, aber es nach Aussagen von Frau J. von Wolfersdorff keine positiven Anreize und auch
Sanktionen im Steuersystem umgesetzt werden, solange werden sich Unternehmen
schwerpunktmäßig auf ihr altes Geschäft weiterhin konzentrieren. In der Landwirtschaft
kommt noch dazu, das sehr viele Betriebe mit dem Rücken an der Wand stehen, eh keine
wirkliche positive Perspektive langfristig sehen und seit einigen Jahren mit Forderungen,
Verordnungen und Bürokratie überhäuft werden. Andererseits waren wir aber in den letzten Jahren und Jahrzehnten gut unterwegs, um in fortschrittl., innovative Technologien
zu investieren. Die Arbeit hat sich somit vereinfacht und die Produktivität, bezogen auf das herzustellende Erzeugnis, konnte gesteigert werden. Es wird oftmals oder immer nur über
die Emissionen in der Landwirtschaft gesprochen, aber kein Wert ermittelt, welchen positiven, lebenserhaltenen Wert wir durch unser Dasein für die Gesellschaft und vorallem
für die Ländlichen Räume erbringen. Man glaubt das eine Hinwendung zu mehr Ökobetrieben die beste Antwort in Sachen Klimaschutz etc. wäre, dabei hat man aber
unterschlagen , das durch eine Ertragssteigerung bzw. normaler Anbau von Ackerkulturen
und Grünlandnutzung mehr CO² in der Grünmasse + im Humusboden gespeichert wird.
Es ist alles sehr spannend momentan und ich denke mehr optimistisch, aber man brauch auch die Zeit und Kapital , um Neue Wege zu gehen. Es ist einfach Ziele und Vorgaben zu
machen, aber wir als Unternehmen sollen das Risiko eingehen, den Betrieb zu transformieren, wo weltpolitisch noch völlig offen ist, in welche Richtung es geht und
welche Nationen im Klimaclub dabei sein werden.
Hochachtungsvoll Heiko Stengel
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