Menschen wollen Dinge verändern und Teil von etwas Größerem sein. Das gilt genauso für die Sphäre der Arbeit. Das Sich-Identifizieren mit dem eigenen Job ist in den letzten Jahrzehnten ein immer wichtigerer Faktor für ArbeitnehmerInnen geworden – und im selben Maße für die Unternehmen.
Um die unterschiedlichen Konsequenzen, die damit für alle Beteiligten einhergehen, zu verstehen, lohnt sich ein Vergleich zwischen etablierten Unternehmen und aufstrebenden Startups. Unsere These: Großkonzerne holen ihre MitarbeiterInnen zunehmend durch gesellschaftliches Unternehmensengagement ab und binden sie damit an die Firma. Junge Startups setzen dagegen auf Gestaltungsspielräume und den persönlichen Impact – jede/r Einzelne soll etwas bewegen können.
Arbeit muss Sinn stiften
Arbeit muss nicht nur Geld bringen. Sie muss vor allem auch Sinn stiften und auf diese Weise Menschen miteinander verbinden – das wusste schon Max Weber, wohl einer der bekanntesten Beobachter der modernen Arbeitswelt. Dieser Gedanke ist heute so aktuell wie noch nie: Gerade die primäre Zielgruppe der meisten HR-Abteilungen, nämlich gut ausgebildete AkademikerInnen, wollen sich mit ihrer Arbeit identifizieren. Man möchte sehen, dass die eigene Tätigkeit nicht umsonst ist.
Aber wie geht die Wirtschaft mit diesem Trend um? Was tut sie, um das menschliche Bedürfnis nach Sinn zu befriedigen? In den letzten Jahren hat sich das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen zu einem Vehikel der persönlichen Sinnsuche entwickelt.
So beobachten wir, dass vor allem in Großunternehmen die Bedeutung von Themen wie Nachhaltigkeit, Corporate Social Responsibility oder Corporate Citizenship zunehmend erkannt wird. Das gesellschaftliche Engagement schafft dabei einen Mehrwert, der sich positiv auf die Identifikation der MitarbeiterInnen mit dem Unternehmen auswirkt.
Der Wert gesellschaftlichen Engagements
Diesen Effekt zeigen auch die repräsentativen Daten des neuen und auf Dauer angelegten Corporate Citizenship Surveys (CC-Survey 2018): 43 % der Unternehmen in Deutschland versprechen sich von ihrem gesellschaftlichen Engagement die Mitarbeiterbindung zu steigern, bei Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern sind es sogar über 90 %. Fragt man allgemeiner danach, ob dem gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen ein Mehrwert bei der Verbesserung der Arbeitgeberattraktivität zukommt, landet man bei 40 % Zustimmung – und für die Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern sind es knapp 90 %.
Der Mehrwert des gesellschaftlichen Engagements besteht also gerade für Corporates auch in der persönlichen Motivation und MitarbeiterInnenbindung – für kleine Unternehmen scheint dies dagegen weniger wichtig. Woran liegt das? Wir glauben: Insbesondere die „High Potentials“ fordern Antworten auf die Frage nach ihrem persönlichen Beitrag. Und weil in größeren Organisationen mit langen Entscheidungswegen der Impact des Einzelnen weniger sichtbar ist, schafft das gesellschaftliche Engagement einen Bezugspunkt auf der Suche nach dem Sinn der Arbeit.
Startups setzen auf persönlichen Impact
Aber was bedeutet das mit Blick auf die kleinen Unternehmen? Kommt man hier vielleicht ganz ohne Sinn aus? Im Gegenteil: Vor allem junge Unternehmen sind das beste Beispiel dafür, dass sich Motivation und Identifikation häufig aus anderen Quellen speisen.
So leben Startups von Gründungsgeschichten und einem Pathos, der verspricht, die Welt aus eigener Kraft zu verändern und so zu einem besseren Ort zu machen. In der unternehmerisch geprägten Startup-Welt bildet die Selbstverwirklichung durch die Arbeit somit die Leitmaxime – ihr sichtbarer „Impact“ liegt häufig in der Schaffung völlig neuer Produkte und Geschäftsfelder.
GründerInnen ebenso wie MitarbeiterInnen von Startups spüren also viel direkter, welchen Einfluss ihre Arbeit auf ihr Umfeld hat. Das macht das gesellschaftliche Engagement dieser Unternehmen natürlich nicht überflüssig, erhöht aber die Wahrscheinlichkeit, dass in dieser „Szene“ weniger Bedarf in diese Richtung wahrgenommen wird. Denn während in Corporates der Sinn der Arbeit maßgeblich durch die Identifikation mit der Firma und ihrem guten Ruf erzeugt wird, rückt in Startups der eigene Beitrag am gesellschaftlichen Wandel – ähnlich wie in sozialen Bewegungen – unmittelbarer ins Zentrum.
Zwischen Identifikation und Aktivität
Wie steht es also um den Sinn der Arbeit? Im Grunde haben wir zwei Bereiche skizziert: In Großkonzernen dreht sich alles um die langfristige Identifikation mit dem Arbeitgeber, die durch Programme gesellschaftlichen Engagements gesteigert wird. So fragen StudienabgängerInnen auf Recruiting-Messen immer häufiger nach dem Nachhaltigkeits-Report und bekunden damit ihr Interesse am gesellschaftlichen Engagement des Unternehmens. Das war nicht immer so: Abgesehen davon, dass es solche Berichte früher noch nicht gab, war die Karriere außerdem stärker von anderen Leitvorstellungen geprägt.
Davon unterscheidet sich die Logik, die wir bei Startups beobachten: Junge Unternehmen leben davon, ihren MitarbeiterInnen breite Gestaltungsräume zu bieten, wodurch ihre Arbeit weit über das berufliche Anforderungsprofil hinausreicht. An die Stelle der Identifikation mit dem sozial engagierten Unternehmen, tritt das Versprechen, selbst etwas verändern zu können.
Mit Blick auf die Zukunft der Arbeit besteht die Herausforderung darin, diese Idee der Aktivität mit der unternehmerischen Identifikation zu verbinden. Der zunehmend gängige Begriff des Intrapreneurships weist zum Beispiel in diese Richtung. Wir sind gespannt, ob sich diese hybride Form als „best of both worlds“ durchsetzt oder sich die beiden Welten dann doch als zu unterschiedlich erweisen.
Zusätzliche Info:
Anael Labigne und Alexander Hirschfeld lernten sich 2011 als Visiting Scholars an der Columbia University in New York kennen. Heute arbeiten beide in Verbänden, die den gesellschaftlichen Einfluss der Wirtschaft organisieren und mitgestalten. Die Autoren können unter anael.labigne@stifterverband.de und alexander.hirschfeld@deutschestartups.org zu diesen und ähnlichen Themen kontaktiert werden.
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Interessante These – aber beruht sie nun auf anekdotischer Beobachtung oder gibt es belastbare Zahlen darüber? Und ist die Verkürzung auf ‚High Potentials‘ zielführend? Oder ist es nicht eher auch hier ein Frage der Knappheit?
Gegenthese:
Kein Unternehmen kann dauerhaft erfolgreich sein, wenn es nicht die eigenen Mitarbeiter_innen auch in ihrer täglichen Arbeit abholt. Und wir haben eine ganze Menge von Unternehmen, die Jahrzehnte, wenn nicht schon mehr als ein Jahrhundert existieren – u.a. weil sie sich permanent neu erfinden müssen.
Es ist eine komplette Falschwahrnehmung, wenn Unternehmen glauben, dass sie Sinnsuche in wohlfeile Citizenship/CSR-Programme delegieren können. Schon garnicht, wenn diese dann aus rein philanthropischen Gesichtspunkten heraus entwickelt werden und nicht mit dem Kerngeschäft verbunden sind. Im Gegenteil: wenn es solcher „Auszeiten“ bedarf, dann brennt es doch de facto im Unternehmen schon lichterloh! Die Kernfrage ist: wie integrieren sich die Citizenship-Programme in die gesamte Führungskultur eines Unternehmens.
Dass StartUps den Sinn in der täglichen Arbeit im Job geben – das ist doch schon fast allein definitorisch gegeben. So finden die Menschen, die ein (soziales oder kommerzielles) Unternehmen gründen überhaupt erst zusammen. Sonst wären sie garnicht dabei.
Jedes Unternehmen startet als ‚StartUp‘. Und mit dem Erfolg und der Größe wächst die Spezialisierung und damit die potentielle Entfremdung. Da gilt es, fortlaufend ‚Sinn‘ immer wieder neu zu stiften. Das fängt dann mit Werten und Kultur an, setzt sich über Organisationsentwicklung und Agilität fort (oder Intrapreneurship, am Ende geht es doch um ergebnisorientiertes, iterativ/fehlertolerantes, selbstbestimmtes/-organisiertes Arbeiten), und wird in Citizenship-Programmen nicht enden.
Ach ja – und dann ist da noch das Thema Leadership 😉
Dann nehme ich gerne Bezug auf das letzte Stichwort: Leadership. Was wir in den Daten auch sehen, ist, dass gerade größere, ältere und sehr etablierte Unternehmen aus durchaus gut funktionierenden Branchen wie Chemie und Pharma sich durch Unternehmensengagement eine Öffnung der Unternehmenskultur erhoffen. Diese Stoßrichtung geht dann mit Indikatoren einher wie dem Wunsch, dass Mitarbeiter selbst gesellschaftliches Engagement einfordern, initiieren und stärken. Das Engagement-Thema scheint das zentrale Lernfeld für diese Haltung zu sein, aber das gilt es noch praktisch zu prüfen etc.