Die Art, wie wir arbeiten, wird auch in Zukunft nicht alleine durch Megatrends wie den der Digitalisierung bestimmt. Es werden auch weiterhin konkrete Menschen sein, die Zusammenhänge und Art der Arbeit prägen. Es werden die Menschen sein, die heute oder in Zukunft gewillt sind, unternehmerisches Risiko auf sich zu nehmen, sei es als Start-up Gründer an der vordersten Front der digitalen Welt, sei es als Inhaber eines kleinen oder mittelständischen Unternehmens. Doch wer sind diese Menschen und was brauchen sie? 

Deutschland ist kein Gründerland

Im internationalen Vergleich gehen hierzulande wenige neue Unternehmen an den Start. Dies zeigen jedes Jahr aufs Neue Studien wie der Global Entrepreneurship Monitor. Die fehlenden Gründer sind die fehlenden Unternehmer von morgen – eine Hypothek für Innovationsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung. Neue Gründer braucht das Land!

Richtig ist es aber auch zu sagen: Neue Gründer hat das Land! Denn immer stärker beteiligen sich Menschen mit Migrationshintergrund am Gründungsgeschehen in Deutschland. Sie beleben die Gründerszene mit Start-ups und den Mittelstand mit neuen Geschäftsideen. Unternehmen in allen Branchen werden heute von Inhabern mit Zuwanderungshintergrund geführt. Dass viele davon auf Wachstumskurs sind, sieht man daran, dass Migrantenunternehmer immer mehr Jobs schaffen. Zwischen 2005 und 2014 ist die Zahl der Arbeitsplätze, die Migrantenunternehmer geschaffen haben, von 947.000 auf 1,3 Millionen geklettert. Das zeigt eine aktuelle Studie aus der Serie „Inklusives Wachstum für Deutschland“.

Gründer und Unternehmer mit Migrationshintergrund sind an vielen Orten das „New Normal“. Unternehmer mit Zuwanderungsgeschichte leisten aber auch einen Beitrag zu gelingender Integration. So zeigen Studien des Instituts für Mittelstandsforschung der Uni Mannheim, dass Migrantenunternehmen in überdurchschnittlichem Maß sozial Benachteiligte beschäftigen und ausbilden. Wer als Zuwanderer ein Unternehmen erfolgreich aufbaut und führt, vergrößert zudem die eigene Chance auf soziale Mobilität und wird zum Vorbild für ein erfolgreiches Ankommen in der neuen Heimat.

„inklusives Wachstum“

Was hier stattfindet, kann man mit Fug und Recht als „inklusives Wachstum“ bezeichnen, also ein Wachstum, das einzahlt auf Beschäftigung und Innovationskraft und das gleichzeitig die Chance auf wirtschaftliche und soziale Teilhabe vieler Menschen verbessert.

Und dennoch wird dieses Potenzial nicht voll ausgeschöpft. Denn gerade gründungswillige Migranten stehen vor spezifischen Hürden und werden mit diesen oft allein gelassen. Ein Scheitern wird so wahrscheinlicher. Wichtig für den Erfolg sind individuelle Beratungsangebote, die die spezifischen Hürden adressieren und professionell den Weg in die berufliche Selbstständigkeit begleiten.

Heute gibt es von diesen Angeboten zu wenige. Den in der Gründungsberatung aktiven Institutionen fehlt vielfach das Wissen über erfolgreiche Ansätze und deren Anwendung. Mancherorts fehlt vielleicht auch die Sensibilität für das Thema. So belassen es viele Institutionen einfach bei der allgemeinen Gründerberatung, die teils an den spezifischen Bedürfnissen von Migranten vorbeigeht.

Dabei gibt intelligente institutionelle Settings und hochprofessionelle Berater; sie zeigen mit ihrer Arbeit, wie es gelingt, auf die spezifischen Bedürfnisse von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte einzugehen und gleichzeitig eine effektive Beratungsleistung zu erbringen, die erfolgreiche Unternehmen auf die Strecke bringt.

Sieben Einrichtungen, die genau dies leisten, haben wir in einer neuen Publikation porträtiert. Jede Einrichtung setzt einen spezifischen Schwerpunkt. So entsteht insgesamt ein Bild, das nicht den Anspruch auf Vollständigkeit hat. Aber es wird deutlich, welche Faktoren zusammenkommen müssen, um Gründungsberatung für Migranten erfolgreich zu gestalten.

Neue Vielfältigkeit

En passant sind auch Porträts erfolgreicher Migrantenunternehmer entstanden. Die Vielfalt der Wege in die Selbstständigkeit und die Vielfalt der Geschäftsideen und damit auch der spezifischen Arbeitswelten sind beeindruckend. Es reicht vom Importeur für den Großmarkt über den Entwickler von Apps bis hin zur spezialisierten Modellagentur.

In Frankfurt haben wir zwei spezifische Angebote für Start-up-Gründer besucht: Das Projekt „Chancen-Nutzer“ im Social Impact Lab berät und begleitet junge Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Weg zu einem erfolgreichen Unternehmen. Das Bundesprojekt „MIGRANTINNEN gründen“ richtet sich an Frauen mit Migrationshintergrund. Die Erfahrung der Arbeitsgemeinschaft Selbstständiger Migranten (ASM) aus Hamburg zeigt, wie die Zusammenarbeit zwischen einer Selbstorganisation von Migrantenunternehmern und der Handelskammer zum Nutzen der Existenzgründer gestaltet werden kann.

Auch außerhalb der großen Wirtschaftszentren macht es Sinn, Menschen auf dem Weg in erfolgreiche Selbstständigkeit zu begleiten. Einblicke in die Grundlagen ihrer Arbeit geben uns das Gründungsbüro des IQ-Landesnetzwerks im Saarland und zwei Institutionen in Brandenburg: der Lotsendienst für Migranten und das IQ-Landesnetzwerk Brandenburg.

Auf internationaler Ebene haben erst jüngst die OECD und die Europäische Kommission Best-Practice-Sammlungen veröffentlicht. Jetzt ist die institutionelle Kreativität der Akteure in Politik, Verwaltung und den Kammern gefragt.

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