Die pro Wirtschaft GT GmbH, Wirtschaftsförderungsgesellschaft im Kreis Gütersloh, verfolgt das Ziel, die regionale Wirtschaft zukunftsfähig aufzustellen, Arbeitsplätze zu sichern und Wohlstand zu stärken. Mit einem breit gefächerten Angebot aus Veranstaltungen, Workshops, Sprechstunden und Netzwerkmöglichkeiten richtet sie sich an Gründungsinteressierte, wachsende Unternehmen, etablierte Mittelständler, Fach- und Führungskräfte sowie Innovationstreibende. Thematische Schwerpunkte sind Digitalisierung, Innovation, nachhaltige Transformation, Arbeitgeberattraktivität, Fachkräftesicherung sowie Wachstum und Beschäftigung.

Ein neues Innovationsfeld: Das Netzwerk biobasierte Werkstoffe

Im Jahr 2024 wurde auf Initiative der pro Wirtschaft GT GmbH und auf Basis eines Beschlusses des Kreistags das „Netzwerk biobasierte Werkstoffe“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, ein zukunftsweisendes Innovationsfeld im Sinne eines regionalen Clusters aufzubauen, das Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit stärkt und zu einer nachhaltigen Weiterentwicklung industrieller Wertschöpfung beiträgt.

Ausgangspunkt war eine vorgelagerte Netzwerkstudie zu biobasierten Lebensmittelverpackungen, die zeigte: Das Thema „biobasierte Werkstoffe“ ist in der Region breit verankert, trifft auf große Resonanz und lässt sich gut in bestehende Strukturen und Branchen integrieren. Die Studie verdeutlichte, dass biobasierte Werkstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Landwirtschaft bis zur Verarbeitung und Vermarktung – Potenzial entfalten können.

Das Netzwerk richtet sich insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen, produzierende Betriebe, Start-ups sowie Forschungseinrichtungen im Kreis Gütersloh. Es bietet Fachveranstaltungen, Workshops, orientierende Erstberatungen und Wissenstransfer, unterstützt bei der Suche nach Kooperationspartnern und fungiert als Türöffner in ein komplexes Themenfeld. Ziel ist es, biobasierte Alternativen zu fossilen Werkstoffen praxisnah in die Unternehmen zu bringen und einen niederschwelligen Einstieg in das Thema Bioökonomie zu erleichtern.

Eine zusätzliche Rohstoffbasis für die Industrie

Biobasierte Werkstoffe gelten als Schlüsseltechnologien auf dem Weg zu einer nachhaltigen, ressourceneffizienten und klimafreundlichen Zukunft. Verpackungen aus Pilzmyzel, Textilfasern aus Agrarreststoffen, Folien aus Zuckerrohr oder Polymerbeschichtungen aus Stroh – all das sind bereits heute einsatzfähige Alternativen zu fossilen Materialien. Weitere Einsatzbereiche sind biobasierte Schaumstoffe, Klebstoffe oder das biobasierte ‚PEF‘ als Ersatz für ‚PET‘-Flaschen. In vielen industriellen Bereichen ersetzt die sogenannte „Biologisierung der industrialisierten Stoffströme“ zunehmend fossile durch nachwachsende Rohstoffe.

Zirkuläre Bioökonomie als Zukunftsmodell

Diese Entwicklung ist eingebettet in die übergeordnete Strategie einer zirkulären Bioökonomie, die derzeit auf der europäischen, Bundes- und Landesebene erarbeitet und aktualisiert werden. Sie zielt darauf ab, nicht nur fossile durch alternative Kohlenstoffquellen zu ersetzen, sondern auch Stoffkreisläufe zu schließen und Abfälle zu minimieren.

Die Befürworter dieser Wirtschaftsform sind der Überzeugung, dass sich die in Europa (2050) und Deutschland (2045) gesteckten Ziele zur Klimaneutralität nicht allein durch die Dekarbonisierung des Energiesektors erreichen lassen, sondern auch ein Umdenken in der Rohstoffbasis und effizienten Lenkung der Stoffströme notwendig sei. Das Bemühen um Zirkularität steht dabei an vorderster Front. Produkte, Baustoffe und Werkstoffe sollen nach ihrer Nutzung weitestgehend in den Entsorgungssystemen gesammelt und wiederaufbereitet werden, um als Sekundärwertstoffe für die erneute Verwendung genutzt werden zu können.

Erfolgreiche Beispiele wie das Papierrecycling zeigen, welches Potenzial in weitestgehend geschlossenen Stoffkreisläufen liegt. Während Recyclingquoten bei Papier bereits bei rund 80 Prozent liegen, hinken andere Stoffströme wie Kunststoffe, Metalle oder Baustoffe noch deutlich hinterher. Erhebliche Materialverluste sind für viele Jahre noch die Konsequenz.  Diese werden weiterhin durch primäre Rohstoffe kompensiert werden müssen. Heute erfolgt dies weitestgehend auf Basis fossiler Kohlenstoffträger wie Kohle, Öl und Gas.

Hier setzt die Bioökonomie mit der Biologisierung an. Die Kreislaufverluste sollten zunehmend aus alternativen Kohlenstoffträgern gespeist werden, um fossile Quellen dauerhaft zu ersetzen. Dies ist leichter gesagt als getan. Dazu bedarf es erheblicher High- und Low-Tech-Innovationen bei der Konversion der alternativen Kohlenstoffquellen zu Alltags- und High-Tech Materialien.

Eine zirkuläre Bioökonomie

Eine zirkuläre Bioöknomie kann damit nicht nur zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele beitragen – sie unterstützt auch die Pfade hin zur Klimaneutralität, hält den Rohstoffverbrauch innerhalb der planetarischen Grenzen, und fördert den Einsatz biobasierter Produkte in entwickelten Industriestrukturen.

Neue Rohstoffbasis, aber ohne Zirkularität wird es nicht gehen

Die Herstellung biobasierter Materialien und Werkstoffe muss auf ihrem Weg noch viele Hürden nehmen. Die Bereitstellung nicht fossiler Rohstoffe oder Reststoffe wie aus Forst- und Landwirtschaft, Aquakulturen, Algenfarmen oder durch Carbon Capturing Utilization Technologien (CCU), also dem Entzug von CO2 aus der Luft oder aus Industrie-Abgasen, sind entweder begrenzt verfügbar oder noch sehr kostenintensiv. Zirkularität wird daher zur Notwendigkeit, um den Bedarf an Primärrohstoffen nachhaltig zu begrenzen. Es gilt, Ressourcen effizienter zu nutzen, Abfälle zu vermeiden und neue Kreisläufe zu etablieren.

Für Unternehmen bedeutet das nicht nur, ihre Produkte kreislauffähig zu gestalten: Neue Wertschöpfungsketten müssen und werden entstehen. Chemieunternehmen müssen chemische Industrieprozesse neu denken, und sie brauchen neue Beschaffungswege für nicht-fossile Kohlenstoffträger. Die Agrar- und Forstwirtschaft wird zum Rohstofflieferanten der Industrie, die Papierindustrie zum Hersteller von Plattformchemikalien für biobasierte Vorprodukte. Gleichzeitig müssen Normen, Regulatorik und Industriestandards angepasst werden. Neue Kooperationen entlang der Lieferkette, technologieoffene Forschung und eine stärkere Sensibilisierung auf Kundenseite sind erforderlich. Auch regulatorische Eingriffe könnten wirtschaftliche Anreize für den Umstieg schaffen.

Der Beitrag des Netzwerks im Kreis Gütersloh

Das „Netzwerk biobasierte Werkstoffe“ begleitet diesen Wandel vor Ort. Es bündelt Informationen, macht Akteure sichtbar, erleichtert den Einstieg ins Thema und vermittelt Kontakte. Die Angebote orientieren sich konsequent an den Bedarfen der Zielgruppen. Besonders KMU, Start-ups und produzierende Betriebe erhalten konkrete Anknüpfungspunkte, wie biobasierte Materialien in bestehende oder neue Produktlinien integriert werden können. Auch Forschungseinrichtungen sind eingeladen, ihre Expertise einzubringen und den Technologietransfer in die Region mitzugestalten.

Zudem beobachtet das Netzwerk relevante politische und regulatorische Entwicklungen, etwa im Kontext des EU-Green Deal oder der deutschen Bioökonomiestrategie. Diese gesetzgeberischen Rahmenbedingungen beeinflussen zunehmend die Materialwahl und Investitionsentscheidungen von Unternehmen.

Kein Sprint – sondern ein Marathon

Die Zeit bis 2045 scheint lang, doch die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaftsweise ist eine komplexe, langfristige Aufgabe. Der Umbau industrieller Prozesse, Lieferketten und Geschäftsmodelle ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Unternehmen sind gut beraten, frühzeitig zu handeln, Risiken gemeinsam zu tragen und sich in Netzwerken wie dem der pro Wirtschaft GT GmbH auszutauschen.

Mit dem „Netzwerk biobasierte Werkstoffe“ steht im Kreis Gütersloh eine Plattform bereit, die diesen Wandel begleitet, Orientierung gibt und Impulse für eine biobasierte Zukunft setzt. Jetzt ist der richtige Moment, sich auf den Weg zu machen und mit neuen Materialien zu experimentieren.

Informationen zum „Netzwerk biobasierte Werkstoffe“, Angebote und Veranstaltungen rund um das Netzwerk finden sich online unter www.prowi-gt.de/unternehmensentwicklung/netzwerk-biobasierte-werkstoffe

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