Mit der Notwendigkeit der Umsetzung einer Circular Economy haben wir uns in dieser Beitragsreihe bereits befasst, und uns zudem mit der besonderen Rolle beschäftigt, die Unternehmenskultur und Führung bei der Umstellung in Richtung Zirkulärwirtschaft spielen. In diesem dritten Teil soll es nun um einen weiteren Schlüsselaspekt dieser wirtschaftlichen Neu-Positionierung gehen: Um die Notwendigkeit zur proaktiven Zusammenarbeit und zur gemeinsamen Entwicklung innovativer Lösungen.

In der Zirkulärwirtschaft können Geschäftsmodelle nicht mehr allein unter dem Gesichtspunkt der Profitmaximierung betrachtet werden, denn unter anderem spielen hier Aspekte des Umwelt-Verbrauchs für das unternehmerische Handeln eine ausschlaggebende Rolle. Nur:

Anders als beim linearen Wirtschaften ist eine isolierter Fokus auf das eigene Vorgehen wenig sinnvoll und meist auch schlicht nicht ausreichend.

Denn zirkuläre Lösungen sind fast immer Systeminnovationen, die von einem Unternehmen allein nicht erfolgreich umgesetzt werden können. Zielführend ist angesichts dessen eine ganzheitliche Perspektive, die die jeweiligen wirtschaftlichen “Ökosysteme” komplett in den Blick nimmt. Dabei gilt es, alle Akteur:innen, die in diesen Systemen aktiv sind, zu berücksichtigen, um die Potentiale der Zusammenarbeit möglichst maximal zu realisieren. Da in der Zirkulärwirtschaft der gesamte Lebenszyklus eines Produktes im Mittelpunkt steht, müssen auch alle Akteur:innen innerhalb einer Wertschöpfungskette betrachtet werden.

Das Wirtschaften in Kreisläufen verlangt nach einer neuen, intensiveren Kooperationskultur 

In der zirkulären Wirtschaft müssen Unternehmen also neue, intensivere Formen der Zusammenarbeit finden: die Suche nach und Entwicklung von umfassenden Optimierungsmöglichkeiten und neuen Lösungen ist nur gemeinsam mit anderen zu schaffen. Klar ist: Das ist eine immense Herausforderung in einem ökonomischen System, das auf Wettbewerb und Konkurrenz ausgerichtet ist. In dieser Interview-Reihe, dir wir gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung durchgeführt und mit Unternehmen aus dem Mittelstand gesprochen haben, wird der weitreichende Bedarf nach Zusammenarbeit über die Unternehmensgrenzen hinweg zum Beispiel so geschildert: „Man muss sehr eng und intensiv “dranbleiben”, und vieles ist auch nur in Kooperation mit anderen überhaupt möglich“. Nötig werden also enge Netzwerk-Kooperationen, in denen die Belange aller Partner:innen von Beginn an mitgedacht werden. 

Kollaboration als neuer Imperativ – Zusammenarbeit muss weiter reichen als bisher üblich

Diese Netzwerke können sowohl vertikal als auch horizontal gestaltet sein: innerhalb der eigenen Lieferkette, aber auch mit Betrieben aus der Region, mit denen es auf den ersten Blick (vom Produkt her gedacht) keinen unmittelbaren Anlass zur Zusammenarbeit gäbe. Die Herausforderungen einer solchen Vernetzung und für das Finden neuer Lösungen sind dabei nicht nur technischer Natur, sondern es ist auch eine neue Kultur der Zusammenarbeit wesentlich. Eine solche weitreichende Kollaboration als Imperativ des eigenen unternehmerischen Handelns anzuerkennen heißt schließlich, sich nicht nur am Erreichen eigener Ziele zu orientieren, sondern dort nach Partner:innen aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zu suchen, wo dies die Prinzipien des zirkulären Wirtschaftens erfordern. Betont wurde dies auch in den Interviews der oben erwähnten Studie – so formuliert von einem der Gesprächspartner: “Wir haben uns mit anderen Unternehmen zusammengesetzt und [wirklich alles] unter die Lupe genommen”. Viele der Interviews betonen, dass für die radikale Umstellung, die das Prinzip des Wirtschaftens in Kreisläufen darstellt, eine viel weiter reichende Kooperation nötig sei, als dies bisher der Fall war. 

Vielfältige Vorteile der Kooperation Richtung Zirkulärwirtschaft

So herausfordernd dies ist, so vielfältig sind zugleich die Vorteile eines solchen Vorgehens. Im Mittelstand erhöht eine enge Zusammenarbeit beispielsweise den Einfluss auf die Einführung neuer Standards und Prozesse – die derzeitige Entstehung der Normungsroadmap Circular Economy ist da nur ein Beispiel.

Gemeinsame Forschung und Entwicklung (Co-Innovation) reduziert zudem Kosten, genau so wie ein geschickter “Ringtausch” von Abfallstoffen, die in anderen Prozessen noch genutzt werden können.

Dazu kommt, dass enge Zusammenarbeit den weitreichenden Austausch von Informationen oft erst ermöglicht, der in der Zirkulärwirtschaft so wesentlich ist. Denn hier können meist nur durch die Weitergabe großer Datenmengen alle Möglichkeiten zur Rückgewinnung von Rohstoffen genutzt werden – ein Beispiel sind Materialpässe für Gebäude, die verzeichnen, wo welche Materialien verbaut sind und wie sich diese wiederverwerten lassen.

Regionale Zusammenarbeit als Schlüssel zu geschlossenen Kreisläufen 

Gerade regional lässt sich eine solche enge Verzahnung gut und vergleichsweise “einfach” erreichen. Auch dazu gibt es bereits konkrete Beispiele entsprechender Innovationen: Eine belgische Firma sammelt zum Beispiel Abfälle aus Cafés, die diese umsonst zur Verfügung stellen, und baut auf den Kaffeeresten Pilze an. Aus den Abfällen der Pilzzucht wiederum entsteht organisches Dämmmaterial. Jedoch ist die Partnersuche für die Entwicklung solcher kooperativen Innovationen bisher noch oft komplex, denn es gilt Transparenz in Bezug auf Rohstoff-Zugänge und Abgänge zu schaffen und zugleich  die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu wahren, also ohne die bewusste oder unbewusste Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen zu agieren. Genau solche Kooperationen können jedoch zu größerem wirtschaftlichen Erfolg und zur Entstehung neuer Dienstleistungen im B2B-Bereich führen – von Mediatoren, Spezialisten für Pilotanwendungen, oder Wissensvermittlern. Letztere kommen unter anderem zum Einsatz, wenn durch die Regionalisierung globaler Liefer- und Wertschöpfungsketten vor Ort nicht (mehr) vorhandene Fähigkeiten neu oder wieder benötigt werden. „Ausgestorbene“ handwerkliche Tätigkeiten können dann wiederbelebt und die insgesamt komplexer werdenden Anforderungen an Fachkräfte besser erfüllt werden.

So kann eine regionale Kooperation im Bereich Zirkulärwirtschaft nicht nur in Bezug auf Recycling und Wertstoffe sowie die verstärkte Kooperation von Unternehmen Vorteile für die jeweiligen Regionen bieten, sondern weit darüber hinaus gesamtgesellschaftliche, regional rasch spürbare Gewinne mit sich bringen.  

Ein erster Schritt in diese Richtung hat das Team der Bertelsmann Stiftung durch ihr BarCamp im März bereits getan.

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