In unserem letzten Beitrag ging es um die Frage, warum Zirkularität als neues Prinzip des Wirtschaftens immer wichtiger wird. Deutlich wurde dabei auch: Obwohl sowohl die Notwendigkeit zum Umsteuern in Richtung einer zirkulären Wirtschaftsweise als auch deren Vorteile immer deutlicher werden, ist die Umsetzung noch nicht so weit, wie sie sein könnte.

Wie es gelingen kann, dass mehr Unternehmen in Kreisläufen wirtschaften – darum geht es hier. 

Klar ist: Ohne eine weitgehende und tiefgreifende Einführung der Zirkulärwirtschaft kann unsere Gesellschaft nicht wirklich nachhaltig werden, denn der Abschied von fossilen Brennstoffen allein genügt nicht. Mit der Umsetzung der Zirkulärwirtschaft beweisen Unternehmen jedoch nicht nur gelebtes gesellschaftliches Verantwortungsbewusstsein, sondern stellen auch entscheidende Weichen für die langfristige Zukunft des Unternehmens.

Wer Abhängigkeiten im Rohstoffbereich reduziert, macht sich unabhängig von den Unwägbarkeiten des Marktes und vereinfacht die strategische Planung.

Allerdings ist der Weg zu dieser Vereinfachung durch komplexe Fragen gekennzeichnet, zum Beispiel:

  • Wie kann das Design von Produkten stärker den Anforderungen des zirkulären Wirtschaftens entsprechen, also bei großer Langlebigkeit Reparatur und Recycling erleichtern? Wie können Produkte von Anfang an so geplant und hergestellt werden, dass sie vollständig kreislauf-fähig sind (“green-by-design”)?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass verwendete Werkstoffe möglichst leicht wieder getrennt werden können?
  • Wann und wie ist die Rücknahme und Aufbereitung von Teilen ökologisch sinnvoll?
  • Wie können Kund:innen auf diesem Weg mitgenommen werden?

Auch wenn die Komplexität groß erscheint – der Mittelstand kann Zirkulärwirtschaft

Keine dieser Fragen ist leicht zu beantworten. Ideenreichtum, Begeisterungsfähigkeit und Durchhaltewillen sind gefragt – nicht nur im Management, sondern bei allen Mitarbeiter:innen. Schließlich sind die erforderlichen Umgestaltungen im Unternehmen tiefgreifend, alles kommt auf den Prüfstand: Prozesse, Lieferketten, in letzter Konsequenz auch das Geschäftsmodell (vergleiche dazu auch die Studie zur betrieblichen digitalen Transformation, die ähnliche Herausforderungen und Erfolgsfaktoren identifiziert). Es müssen interne Barrieren überwunden werden: Kurzfrist-Denken, Risikoscheu, fehlendes Knowhow, Festhalten am Althergebrachten oder auch der Unwille, Kompromisse einzugehen. Man muss der Gefahr begegnen, dass sich die eingebrachten Ideen und Initiativen widersprechen und am Ende zu höheren Umweltkosten führen. Ebenso kann mangelnde Konsequenz, z.B. bei der Lebenszyklus-Analyse eigener Produkte, dazu führen, dass die Anstrengungen eines Betriebes auf ein bloßes „circular washing“ reduziert werden, eine Kreislauf-Variante des Greenwashings, gegen das die EU in Zukunft entschlossen vorgehen möchte.

Ecopreneure: Vorreiter-KMU zeigen auf, wie die Umsetzung gelingen kann

Hilfreich ist hier der Blick zu den KMUs, die bereits umfassend nachhaltig wirtschaften. Drei Prozent aller europäischen KMUs, die sogenannten „Ecopreneure“, zählen zu diesen innovativen Vorreitern, und aus genau dieser Gruppe stammen die Firmenvertreter:innen, die von uns im Rahmen einer demnächst erscheinenden Studie zu Unternehmen und Nachhaltigkeit befragt wurden (zu weiteren Infos können Sie sich hier gern in den Newsletter eintragen). Die eindeutige Rückmeldung: der wichtigste Erfolgsfaktor ist die Unternehmenskultur. Diese Einschätzung wird auch andernorts bestätigt. In den Worten eines Interviewten klingt das so:

Die Unternehmenskultur ist wesentlich – auch die Ideen für Innovation und neue Lösungen kommen ja aus dem Team. Letztlich braucht es dieses Vordenken im Team, bei bestimmten Personen, und eine Kultur, die das ermöglicht und fördert.

Entscheidend: Die Unternehmensführung muss beispielhaft vorangehen

Führungsebene selbst notwendig – wer als Geschäftsführer:in mit dem SUV vorfährt, kann mit Appellen zu weniger Umweltverbrauch bei der Belegschaft kaum punkten. So heißt es in einem Interview: „Nachhaltigkeit ist Teil des Selbstverständnisses. Ich leite den Betrieb nach den Grundsätzen, die auch für mein Privatleben gelten“. Als wesentlich betont wird zudem die Offenheit der Führung für Initiativen und Ideen aus der Belegschaft. Man müsse den Mitarbeiter:innen „die Freiheit einräumen, das auch machen zu dürfen“ und die Entscheidungswege kurz halten („Hier sind es nur zwei Schritte bis zum Vorstand“), damit eine rasche und konsequente Umstellung gelingt. So ergeben sich spannende Synergien mit anderen Arten wirtschaftlicher Transformation: Zum Beispiel betonen viele der Interviews auch, dass Elemente von New Work sich unmittelbar positiv auf die Entwicklung Richtung Nachhaltigkeit und Zirkulärwirtschaft auszuwirken scheinen.

Möglich wird das durch den klaren und direkten Einblick, den die Geschäftsführung gerade im Mittelstand in alle Tätigkeitsbereiche hat. Dazu kommt, dass meist ein enger, persönlicher und vertrauensvolles Kontakt zu den Kund:innen besteht und so auch diese „in Richtung Nachhaltigkeit bewegt“ werden können. Ein interviewter Geschäftsführer ging sogar noch einen Schritt weiter und machte ein Commitment zur Nachhaltigkeit auf Kundenseite zur Bedingung für eine Zusammenarbeit: „Bestimmte Branchen oder Projekte werden von uns nicht betreut bzw. unterstützt, es sei denn, die Kunden sind bereit, an sich zu arbeiten“. Für viele der Interviewten gehört es zu ihrem Führungs-Selbstverständnis, gerade solche weitreichenden, “unbequemen” oder gar “radikalen” Schritte wie die Ausrichtung am Ziel einer Konsum-Reduktion (in der Gesamtgesellschaft wie im eigenen Unternehmen) umzusetzen. 

Ausrichtung an Prinzipien des Wirtschaftens in Kreisläufen als ureigener Anspruch des Mittelstands

Aus den Interviews entstand dabei der Eindruck eines großen Möglichkeiten-Raums, der (bei aller Komplexität des Themas) gerade von Unternehmen des Mittelstands hervorragend bespielt und genutzt werden kann. Die hier befragten Führungskräfte sehen die Ausrichtung an Nachhaltigkeit (und häufig das zirkuläre Wirtschaften als neues Grundprinzip) als ureigenen Anspruch des Mittelstandes und als wesentliches Element einer zeitgemäßen „Unternehmer-Ehre“. Denn hier habe die Verantwortung zukünftigen Generationen gegenüber schon immer eine zentrale Rolle gespielt, und das bedeutet heute eben: Nachhaltig und in Kreisläufen zu wirtschaften. 

Im nächsten Blogbeitrag: Schlüsselfaktor Kooperation

Im Alleingang ist das allerdings meist nicht möglich. Der Mittelstand wird auf Kooperation angewiesen sein, auf einen Verbund sich gegenseitig unterstützender Unternehmen, die nicht nur Best Practices u.ä. austauschen, sondern auch Innovationen in der Zusammenarbeit entwickeln. Mit diesem Thema befasst sich unser nächster Beitrag, der diese Reihe abschließt. Übrigens: Wer in der Region OWL nach einer guten Vernetzungsmöglichkeit sucht für alle, die schon in Richtung zirkuläres Wirtschaftens unterwegs oder gerade dorthin im Aufbruch sind, dem sei das Barcamp zu diesem Thema empfohlen – mehr dazu findet sich hier.

 

 

Unternehmen und Nachhaltigkeit.
Unternehmen und Nachhaltigkeit.
Wo steht der deutsche Mittelstand bezüglich Nachhaltigkeitsansätzen in den Unternehmen? Nach welchen Maximen handeln Unternehmen, die sich bereits heute der Nachhaltigkeit ver­schrieben haben? Wie greifen für sie Nachhaltigkeit und Digitalisierung ineinander, und welche Rolle spielt dabei die Unternehmenskultur? Das Papier spürt anhand von zentralen Erkenntnissen aus Interviews mit Unternehmensvertretern und -vertreterinnen dem Stand der Dinge zu diesen Themen nach.
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