Deutschland will bis spätestens 2045 klimaneutral werden. Über die nötigen öffentlichen und privaten Investitionen sprechen wir fast täglich – häufig als „Kosten des Klimaschutzes“. Kaum sprechen wir über die Kosten von Extremwetter und Klimaveränderungen. Viele dieser Kosten sehen wir (noch) nicht – z. B. bei Schäden an Ökosystemen oder Gesundheitsfolgen.
Schäden durch Extremwetter kosteten die Steuerzahler im Jahr 2021 mehr als wir in Klimaschutz investierten
Einige sehen wir bereits: Extremwetterereignisse wie die Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal verursachte 42,2 Mrd. Euro an Schäden. Da nur ein Bruchteil dieser versichert war, stellten Bund und Länder insgesamt 30 Mrd. Euro an öffentlichen Mitteln über das Sondervermögen Aufbauhilfe 2021 bereit. Zur Einordnung: „für Klimaschutz“ wurden von der Bundesregierung im selben Jahr 21 Mrd. Euro über den Energie- und Klimafonds investiert.
Klimatische Entwicklungen und die finanziellen Auswirkungen dessen
Daten der Rückversicherer zeigen: Schäden durch Extremwetterereignisse – wie Hitzeperioden, Überschwemmungen oder Starkregenereignisse – nehmen seit Jahrzehnten stetig zu. Die Grafik zeigt den Trend der (direkten) Schadenskosten im Zusammenhang mit Extremwetterereignissen seit 2000. Nicht nur in Deutschland, auch weltweit ist ein Großteil der Schäden nicht versichert. Regierungen werden in Folge von Schadensereignissen regelmäßig unter Druck stehen, mit öffentlichen Geldern nicht versicherte Schäden zu kompensieren.
Die Ursachen dieser Kosten sind vielfältig, nur ein Teil quantifizierbar und damit „sichtbar“. Zum einen handelt es sich um Kosten, die durch direkte Schäden entstehen, zum anderen um Klimaanpassungskosten, sinkende Einnahmen sowie weitere indirekte Schäden wie nicht-monetäre Kosten für Umwelt und Gesundheit. Direkte Schäden wie die Überschwemmungen im Ahrtal sind leicht zu erfassen, andere Auswirkungen wie Ernteausfälle in der Landwirtschaft, Schäden an Wäldern oder Produktionsausfälle in der Industrie sind in Medienberichten sichtbar, ihre wirtschaftlichen und finanziellen Kosten (z.B. auch in Form von höheren öffentlichen Ausgaben oder Steuermindereinnahmen) lassen sich sehr schwer messen. Mehr und bessere Daten sind nötig, um die vollen „Kosten des Klimawandels“ zu verstehen.
Wie beeinflusst die Finanzpolitik den Klimawandel?
Das Pariser Klimaabkommen formuliert neben der Begrenzung der Erderwärmung das Ziel, private und öffentliche Finanzflüsse in Einklang zu bringen mit den Erfordernissen des Klimaschutzes: indem Umweltschaden bepreist wird, Anreize für umweltschädliches Verhalten reformiert und in Klimaschutz und in Klimaanpassung investiert wird.
Die öffentlichen Finanzen in Deutschland sind inkonsistent mit den Paris-Zielen (FÖS, 2022a). Dazu unterstreicht der Bundesrechnungshof , dass Klimaschutzpolitik nur dann effektiv sein kann, wenn Instrumente „nicht von anderen staatlich beeinflussbaren Faktoren wie klimaschädlichen Subventionen oder dem Steuer- und Abgabensystem konterkariert werden“ (Bundesrechnungshof, 2022b, S. 24). Ähnlich formuliert der Koalitionsvertrag das Ziel, „schrittweise den Bundeshaushalt (…) auf eine ziel- und wirkungsorientierte Haushaltsführung umstellen” zu wollen (SPD et al., 2021).
In der Praxis wirken öffentliche Finanzen noch häufig mehr in Richtung Klimaschaden als Klimaschutz. Synergiepotenziale zwischen beiden bleiben ungenutzt – z.B. durch höhere Umweltsteuern.
Jedoch sinkt der Anteil von Umwelteinnahmen an den öffentlichen Einnahmen unter Berücksichtigung der Inflation kontinuierlich: seit 2003 um 19%. So sinken die ökonomischen Anreize für Klimaschutz, während gleichzeitig die Steuerbelastung auf die Faktoren Arbeit und Kapitel immer stärker steigt (FÖS, 2022b). Ebenso steigen seit 2006 die umwelt- und klimaschädlichen Subventionen kontinuierlich: von 42 Mrd. Euro auf 65 Mrd. Euro (2018), insbesondere im Verkehrs- und Energiesektor (Burger & Bretschneider, 2021). Durch einige Entlastungsmaßnahmen des Jahres 2022 (z.B. 3 Mrd. Euro für den dreimonatigen Tankrabatt) sind sie in der Zwischenzeit weiter gestiegen.
Die Investitionen in Klimaschutz konnten in der Vergangenheit nur zum Teil ausgegeben werden. Zwar will die Regierung deutlich mehr über den Klima- und Transformationsfonds investieren, jedoch sich die Frage, ob diese Mittel überhaupt vollumfänglich investiert werden können. Wie effektiv sie sind und wie hoch deren tatsächliche Klimawirkung sein kann, bleibt unklar angesichts entgegenwirkender klimaschädlicher Subventionen.
Was ist zu tun?
Im Dezember 2022 hat die Bundesregierung mit dem Spending Review einen Ansatz vorgelegt, um öffentliche Finanzen nachhaltiger zu gestalten (BMF, 2022). Dieser Prozess wird aber erst mittelfristig wirken können. Kurzfristig müssen die vielen umwelt- & klimaschädlichen Fehlanreize im Steuersystem reformiert werden und Richtlinien für eine Subventionspolitik erarbeitet werden, so dass diese zu Klimaschutz und Strukturwandel beitragen, anstatt ihn zu konterkarieren.
Die Inkonsistenz zwischen klimapolitischen Zielen und Finanzpolitik geht zu Lasten des Klimaschutzes, der Steuerzahler*innen und der Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft. Beide Bereiche müssen stärker zusammengedacht werden. Eine ökologischere Finanzpolitik trägt zu mehr Klimaschutz und einem erfolgreichen Strukturwandel bei. So können auch die öffentliche Kosten von Extremwetterereignissen mittelfristig begrenzt und zur langfristigen Stabilität und Tragfähigkeit öffentlicher Finanzen beigetragen werden.
Hinweis: Der Blogpost basiert auf einer für die Bertelsmann Stiftung erstellten Focus Paper des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft „Klima- und Finanzpolitik zusammendenken: Wechselwirkungen und Zielkonflikte“
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