Stellen wir uns einen großen Eimer mit Wasser vor, 1m breit, 1m lang, 1m hoch. Das ist ein Kubikmeter. Nun stapeln wir von diesen Eimern 4,5 Milliarden Stück übereinander. In Zahlen: 4.500.000.000. Das ergibt einen Wasserturm in Höhe von 4,5 Milliarden Metern. Das sind 4,5 Millionen Kilometer. Der Weg zum Mond beträgt grade einmal 384.400 Kilometer.
4,5 Milliarden. Das ist die Höhe des Wasserverbrauchs der deutschen Industrie. Dieses Wasser wird zum Beispiel zur Produktion unserer Konsumgüter eingesetzt und dadurch verschmutzt.
Gleichzeitig sinken die Wasservorräte in Deutschland, da durch den Klimawandel die Pegel ständig sinken. Zukünftig steht uns also immer weniger Wasser zur Verfügung – bei gleichzeitigem Anstieg des Verbrauchs. In einzelnen Bundesländern gibt es bereits Warnungen und Aufrufe der Politik zum Wasser sparen, zum Beispiel in Brandenburg.
Die Industrie muss für das Wasser bezahlen. Wenn auch nur einen geringen Preis von rund 4 Euro pro Kubikmeter. Doch viele andere Ressourcen unserer Erde, die wir wie selbstverständlich konsumieren, sind kostenlos. Doch sind sie das wirklich? Zumindest tun wir so, wenn wir unsere Produkte im Supermarkt kaufen.
Kaum ein Produktpreis spiegelt den tatsächlichen Wert der eingesetzten Ressourcen wider. Und dass in Zeiten, in denen wir in rasender Geschwindigkeit auf eine existenzielle Klimakrise zulaufen.
Nehmen wir das Beispiel Kaffee.
Wenn wir ein Kilogramm Kaffee kaufen, bezahlen wir:
- Einen sehr geringen Preis für den Einkauf der Bohnen, zum Beispiel in Südamerika. Von diesem Preis kommen meist nur wenige Cent bei den Kaffeebauern und ihren Familien an.
- Die Transportkosten der Bohnen
- Weiterverarbeitung und Röstung der Bohnen
- Verpackung und Versand
Wofür wir nicht bezahlen und was auf keiner Verpackung ausgewiesen ist:
- Die echten sozialen Kosten
- Luftverschmutzung
- Klimawandel
- Wasserverbrauch
- sonstige ökologische Kosten des Kaffeeanbaus, z.B. Verunreinigung der Böden durch Pestizide, Bodenerosion, Artensterben durch die eingesetzten Gifte, etc.
Schon als Kinder haben wir von unseren Eltern gelernt, vorsichtig mit wertvollen Gegenständen umzugehen. So geben wir acht auf unsere Autos, auf unsere Einrichtung, auf unsere Kamera oder auf das teure E-Bike. Seltsamerweise machen wir mit den wertvollsten Ressourcen unserer Erde genau das Gegenteil. Wir gehen damit um, als wäre es ein Cent-Artikel eines Lebensmittel-Discounters, den es in unendlich großer Stückzahl gibt. Dabei ist unser Planet unsere Lebensgrundlage.
Wir Menschen brauchen den Planeten. Unser Planet braucht uns nicht.
Was nix koscht, isch nix wert.
Kommen wir nun nochmal zurück zu unserem Kaffeebeispiel: Wäre es anders – also würden wir sorgsamer mit dem Verbrauch umgehen, wenn die Ressourcen unseres Planeten ein Preisschild hätten? Denn defacto war der größte Teil, den es gebraucht hat, um die Kaffeebohnen herzustellen kostenlos! Erde = gratis. Sonne = gratis. Regen = gratis.
Meine Großmutter sagte immer in ihrem breiten schwäbischen Dialekt: „Was nix koscht, isch nix wert.“ Da ist etwas Wahres dran. Das Problem bei der Nutzung unserer Gratis-Ressourcen der Natur ist: Durch das fehlende Bewusstsein gegenüber dem Wert der Natur, übernutzen wir sie. Wir überschreiten planetare Grenzen. Und das nicht zu knapp. Um genau zu sein verbrauchen wir derzeit Ressourcen von ca. 1,6 bis 1,7 Erden. Wir haben jedoch nur eine Erde. Damit schaden wir nicht nur unserem Planeten, sondern in erster Linie der Menschheit selbst, wenn wir so weitermachen wie bisher.
Schon der Umweltökonom und Banker Pavan Sukhdev sagte in den 1990er Jahren: „Die Natur ist ökonomisch unsichtbar. Und das darf so nicht bleiben.“
Noch ein Beispiel, das deutlich macht, was wir mit unserem Naturkapital so treiben, während wir unseren Wohlstand vermehren.
In den letzten rund 20 Jahren haben wir Menschen den Wert der produzierten Güter pro Person weltweit verdoppelt. In derselben Zeit ist der Wert unserer Natur drastisch gesunken.
Durch Abholzung, Überfischung der Meere, Versiegelung von Flächen, Zerstörung der Artenvielfalt, etc. Man könnte diese Liste endlos weiterführen.
Wir müssen anfangen zu rechnen!
Es würde also Sinn machen, wenn wir einmal darüber nachdenken, wie hoch der individuelle Wert eines produzierten Gutes ist, im Vergleich zu den Kosten, die eine Produktion verursacht – inklusive der zerstörten und verbrauchten Ressourcen. Oder man könnte auch sagen: Wir müssen den Wert unseres Naturkapitals berechnen und in die Produkte einpreisen. Doch wie geht das konkret? Ist sowas überhaupt realistisch möglich? Und wenn ja, wie gestaltet man das sozial gerecht?
Klar ist, die Vielfalt unserer Natur ist so groß, dass es vermutlich schwer werden würde, jeder einzelnen Baumart oder jedem Tier einen Preis zuzuordnen. Doch was wäre, wenn wir bei jedem Vorhaben, bei dem wir unsere Ressourcen in Anspruch nehmen prüfen würden, wie hoch der Gegenwert wäre wenn wir dieses Vorhaben nicht umsetzen und stattdessen die Natur schützen?
Bauen um jeden Preis?
Ein Beispiel:
Es soll ein größeres Bauvorhaben umgesetzt werden. Dafür muss ein Fluss begradigt und ein Staudamm gebaut werden. Außerdem werden Wälder abgeholzt, um Zufahrtstraßen zu bauen. Die negativen Folgen: Hochwassergefahr, Verringerung der Artenvielfalt vor Ort. Durch ein Hochwasser entsteht den benachbarten Städten und Dörfern im schlimmsten Fall ein Schaden in Milliardenhöhe. So führte zum Beispiel das Jahrhunderthochwasser entlang der Elbe im Jahr 2002 zu Schäden in Höhe von mehr als 11 Milliarden Euro.
Durch Verlust der Artenvielfalt kommt es zur Erosion der Böden, zum Rückgang der Insektenpopulation wodurch weitere Tier- und Pflanzenarten verschwinden und am Ende der Kette unsere Lebensmittel-Versorgung in Gefahr gerät. Das Abholzen der Wälder führt zu weniger natürlichen CO2-Speichern. Flächen werden versiegelt, was die Temperatur ansteigen lässt. Zusätzlich zum Temperaturanstieg durch einen steigenden CO2-Gehalt in der Atmosphäre. Eine Kettenreaktion kommt in Gang.
Der Schaden, der durch das Bauprojekt entsteht, lässt sich zwar nicht leicht beziffern, doch lässt sich ungefähr abschätzen welche Folgekosten dadurch entstehen. Wenn wir diese Folgekosten ins Verhältnis zum finanziellen Nutzen des Bauvorhabens stellen, sehen wir, ob es Sinn macht das Vorhaben umzusetzen.
Die entscheidende Frage ist nun, wie bringt man Unternehmen dazu, diese Kalkulation aufzustellen? Wie verpflichten wir die Wirtschaft zur Offenlegung dieser Berechnungen?
Ist das der einzige Weg? Und führt das wirklich dazu, dass wir sorgsamer mit unserem Naturkapital umgehen? Welche anderen Wege gibt es, den Wert der Natur anzuerkennen – was meinen Sie?
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