In einer alternden Bevölkerung Politik für die nachfolgenden Generationen zu gestalten, stellt eine gewisse politökonomische Herausforderung dar, kann doch ein großer Teil der jungen Menschen noch nicht wählen. Somit gibt es beständig eine inhärente Tendenz in der Politik, Politik für ältere Menschen zu machen und die Interessen der jungen Generationen damit systematisch zu negieren. Diese Form der Politikgestaltung hat zum bekannten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimapaket der ehemaligen sogenannten „GroKo“ geführt.
Was verstehen junge Menschen unter einer nachhaltigen Entwicklung?
Bei einer nachhaltigen Transformation unserer Arbeits- und Lebenswelt käme es daher in Zukunft sehr viel stärker darauf an, diese Interessen der jungen Generationen rechtzeitig und ausreichend in den Blick zu nehmen. Hierfür müssen Sie aber ersteinmal bekannt sein. Was verstehen daher die jungen Menschen (zwischen 16 und 30 Jahren) unter einer nachhaltigen Entwicklung? In welcher Weise sind sie selbst engagiert, um mehr Nachhaltigkeit in Lebens- und Arbeitswelt zu erreichen? Wer dient ihnen dabei als Vorbild des Wandels? Diese und weitere Fragen haben meine Kolleginnen Anja Langness und Regina von Görtz zum Anlass genommen, um gemeinsam mit Kantar Public eine Umfrage in dieser Personengruppe (1.023 junge Menschen) durchzuführen. Ich empfehle euch einen Blick in die Daten, möchte euch aber zugleich hier schon mal vorab die aus meiner Sicht wichtigsten Ergebnisse kurz skizzieren.
Junge Menschen wissen sehr genau um die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit
Die jungen Menschen wissen genau, dass der Begriff der „Nachhaltigkeit“ nicht nur eine ökologische sondern auch eine soziale und eine ökonomische Dimension beinhaltet. Schaut man sich an, was genau die jungen Menschen unter Nachhaltigkeit verstehen, so erkennt man sofort, dass die wesentlichen Elemente – relativ unabhängig vom Bildungsniveau – auch am häufigsten genannt werden. Der Kenntnisstand kann daher als sehr gut bezeichnet werden.
Nachhaltigkeit und nachhaltiges Verhalten ist für 3 von 4 jungen Menschen eine Selbstverständlichkeit. Sie kommen zumeist durch Influencer, die eigene Familie, Aktivisten und Wissenschaftlerinnen zu diesem Thema. (Hört dazu mal in unseren letzten Podcast: Die Rolle der Medien auf dem Weg zu einer nachhaltigen Transformation – Zukunft der Nachhaltigkeit) Sportler, Schauspielerinnen oder Politikerinnen spielen als Vorbilder keine Rolle. Jugendlichen, denen diese Vorbilder fehlen, sind deutlich weniger an Nachhaltigkeit interessiert. Der Anteil der jungen Menschen, für die Nachhaltigkeit überhaupt nicht relevant ist, ist unter jungen Männern 10%-Punkte höher als unter jungen Frauen.
Mit betrieblicher Nachhaltigkeit gegen den Fachkräftemangel?
Die Hälfte der jungen Menschen möchte nur in Unternehmen arbeiten, die das Prinzip der Nachhaltigkeit selbst auch verfolgen. Gleichzeitig sind aber nur 5% der jungen Menschen im klassischen Ehrenamt engagiert, um der Nachhaltigkeit Gehör zu verschaffen. Dieser relativ niedrige Wert kann allerdings, so die Studienautorinnen, auch dadurch zustandekommen, dass generell bei der Messung von „Ehrenamt“ traditionelle analoge Formen des Engagements in den Fokus genommen werden und die virtuelle Alltagswelt der jungen Menschen schlicht nicht ausreichend berücksichtigt wird.
Jungen Menschen erreichen nachhaltiges Verhalten mit sehr traditionellen Wertevorstellungen
Der Blick auf die von den jungen Menschen präferierten Maßnahmen, um mehr Nachhaltigkeit in den eigenen Arbeits- und Lebensalltag zu implementieren, zeigt, dass die von älteren Menschen gern negativ konnotierte „Verzichts“debatte für die jungen Menschen genau umgekehrt bewertet wird: Verzicht ist ein wichtiges Werkzeug für die Erreichung von mehr Nachhaltigkeit. Bis auf den Punkt des Verzichts auf Fleisch (weitere Maßnahmen konnten hier aus Platzgründen nicht dargestellt werden) ist zudem auffällig, dass alle Maßnahmen Verhaltensmaximen sind, die die Nachkriegsgeneration noch als Selbstverständlichkeit empfunden hat, die aber in der dazwischen liegenden Generationen scheinbar verloren gegangen sind.
Politischer Aktivismus statt Parteisitzungen in verrauchten Hinterzimmern
Bei der Frage der Aktivitätsformen, mit denen für mehr Nachhaltigkeit in der Gesellschaft geworben werden kann, rangieren klassische Formen der Beteiligung wie Jugendparlamente und Parteien auf den letzten Plätzen der Rangliste. Flexible, lokale und auch digital durchführbare Aktionen werden von den jungen Menschen als am wichtigsten erachtet.
In weiteren Fragebereichen haben sich meine Kolleginnen noch auf die Wechselwirkungen von Gründungen, Innovationsfähigkeiten und Nachhaltigkeit fokussiert. Auch hier zeigte sich, dass Nachhaltigkeit nicht mehr aus der Unternehmenswelt wegzudenken ist, wenn die junge Generation irgendwann selbst in Entscheiderpositionen aktiv ist.
Insgesamt zeichnen die Umfrageergebnisse ein sehr positives und optimistisches Bild von den jungen Menschen: Sie wissen um die Wichtigkeit des Themas, sie haben eine genau Vorstellung davon, wie es umgesetzt werden kann und sie wissen, dass sie nicht jeder für sich agieren, sondern gemeinsam mehr erreichen können.
Es wird höchste Zeit, dass diese Generation in Entscheiderpositionen gelangt.
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Spannend. Für mich insbesondere der Aspekt zum Engagement in Parteien und der (Kommunal-)Politik. Das ist ein Thema. Wir brauchen nicht nur viel mehr Frauen, wir brauchen auch viel mehr junge Menschen in den Vertretungen & Räten unserer Gemeinden.
Jugendparlamente sind sicherlich ein Mittel, um das zu erreichen. Leider gibt es davon viel zu wenige. Nicht alle Gemeinden haben wohl Interesse, jene entstehen zu lassen. Was bedauerlich ist.
Auch wird wenig getan, um beispielsweise Sitzungen, Themen von Sitzungen und Termine in digitalen Medien und aus sozialen Plattformen bekannt zu machen.
Es gibt viel zu tun, um die Perspektiven, Sichtweisen und Meinungen von Jugendlichen in unseren Räten und Vertretungen viel mehr Gehör zu verschaffen, bestenfalls in dem Menschen zwischen 16-30 Jahren sich dort politisch engagieren.
Hallo Thorsten, danke dir für deine wichtige Rückmeldung! Über die Gremienarbeit hinaus spannend wäre auch zu wissen, wie man ältere Menschen dazu bekommen könnte, das Engagement der jüngeren Menschen mehr zu schätzen. Haben wir in Deutschland dafür vielleicht nicht die passende Debattenkultur? VG, Ole