Auf EU-Ebenen wird derzeit die Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung verhandelt. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll zunehmend auch mittelständische Unternehmen in die Pflicht nehmen und endlich finanzielle mit nicht-finanziellen Kennzahlen verknüpfen. Die CSRD ersetzt die aktuell geltende Non-Financial Reporting Directive. Die CSRD verankert das Konzept der doppelten Wesentlichkeit (double materiality), verlangt ausführlichere Informationen zu Nachhaltigkeitszielen und Kennzahlen. Dabei richtet sich die CSRD an der Sustainable Finance Disclosure Regulation und der EU-Taxonomie aus. Dass ökologische und soziale Leistungen auf eine Stufe mit Gewinn gestellt werden, läutet eine Zeitenwende ein. Für den Übergang in eine kohlenstoffarme, faire Wirtschaft ist nun eine einheitliche und transparente Berichterstattung nötig.
Die 2017 eingeführte Non-Financial Reporting Directive (NFRD) war schon damals nicht ausreichend. Nur 11.000 von über 20 Millionen Unternehmen in der EU waren zu Umwelt- und Sozialberichten verpflichtet. Die Firmen konnten dabei weitgehend nach eigenem Gusto über ESG-Themen (Environment, Social, Governance) berichten. Die Kriterien waren verwässert, die Ergebnisse nicht vergleichbar und somit wenig brauchbar für Investor:innen, Kund:innen und die interessierte Öffentlichkeit.
So ist es nur richtig, dass die EU-Kommission endlich nachbessert. Im April 2021 hat sie den Vorschlag für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorgelegt, die die bisher geltende Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) ersetzen soll. Es handelt sich um eine Erweiterung und Überarbeitung der bisherigen Berichtspflicht. Schon die Namensänderung deutet auf geänderte Ziele hin:
Nachhaltigkeit soll finanziellen Aspekten in der Berichterstattung zunehmend gleichgestellt werden.
Die EU formuliert damit erstmals einheitliche Standards für nicht-finanzielle Daten. Zu dem Entwurf haben Europäisches Parlament und Europäischer Rat Stellung bezogen und Änderungsvorschläge gemacht. Aktuell befinden sich die drei europäischen Institutionen im politischen Trilog.
Nachhaltigkeit in Unternehmens-DNA verankern
Für viele Unternehmen wird das der längst überfällige Anstoß sein, sich mit den ökologischen und sozialen Folgen ihres Wirtschaftens auseinanderzusetzen. Besonders bei der Mehrzahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) besteht Nachholbedarf. In vielen Firmen ist Nachhaltigkeit, wenn überhaupt, bisher nur schmückendes Beiwerk. Es fehlt die strategische Ausrichtung und die Verankerung in der Unternehmens-DNA. Dabei sind die Vorteile am Markt nicht zu leugnen: Unternehmen sind attraktiver für Kund:innen, Arbeitnehmer:innen und Geschäftspartner. Nicht nur Investor:innen sind interessiert an nachhaltig agierenden Unternehmen, auch die Politik rückt die Förderung nachhaltiger Finanzmärkte zunehmend in den Fokus.
Statt 550 Unternehmen sind in Deutschland zukünftig viele größere KMU (circa 15.000 Unternehmen; 49.000 europaweit) von der Richtlinie betroffen. Berichtspflichtig wird, wer zwei der drei Kriterien erfüllt:
- 250 oder mehr Mitarbeiter:innen,
- mindestens 20 Millionen Euro Bilanzsumme
- oder ein Mindestumsatz von 40 Millionen Euro.
Laut dem aktuellen Entwurf müssen Unternehmen die CSRD ab 2025 umsetzen und für das Geschäftsjahr 2024 berichten. Börsennotierte KMU haben eine längere Übergangsfrist. Sie müssen ab 2027 (Berichtsjahr) für das Geschäftsjahr 2026 berichten. Da mehr Daten erfasst und auditiert werden müssen, müssen auch interne Kompetenzen und Prozesse deutlich ausbaut werden. Grund genug, sich jetzt mit der erweiterten Nachhaltigkeitsberichterstattung zu befassen.
Ökonomie in Einklang mit Ökologie und Sozialem
Der Umsatz eines Unternehmens galt lange Zeit als einzige Kenngröße für seinen Erfolg. Dabei wurden Umweltschäden und soziale Folgen großzügig missachtet.
Die CSRD erfordert nun die Erfassung vieler Kennzahlen, die sich nicht mehr nur rein monetär darstellen lassen.
So fließen beispielsweise besonders geringe CO2-Emissionen der Mitarbeiter:innen auf dem Weg zur Arbeit in die Erfolgsrechnung mit ein. Nach dem Entwurf der EU müssen die Unternehmen künftig unter anderem offenlegen:
- wie widerstandsfähig ihr Geschäftsmodell im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte ist,
- welche Chancen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten bestehen,
- wie es sein Geschäftsmodell in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel bringt
- welche Nachhaltigkeitsziele es sich setzt und ob es sie erreicht
- welche Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit auch entlang der Lieferkette hat
Prüfpflicht und Vergleichbarkeit
Als Teil der Geschäftsberichterstattung wird der Nachhaltigkeitsbericht prüfpflichtig. Die Berichterstattung muss zukünftig nicht nur von internen Organen, wie einem Aufsichtsrat, geprüft werden. Die Wirtschaftsprüfung nimmt nach dem Entwurf der EU künftig neben einer formellen auch eine materielle Prüfung der Umwelt- und Klimaberichte vor. Sie muss also nicht nur prüfen, ob der Bericht in sich stimmig ist, sondern sich auch Nachweise für die Umweltdaten im Bericht vorlegen lassen.
Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft ist gerade die internationale Vergleichbarkeit ein wichtiger Punkt. Für die konkrete Erarbeitung eines EU-weiten Berichtstandards ist die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) verantwortlich. Die EFRAG entwickelt Standards, die von anderen Initiativen (u.a. ISSB, GRI, TCFD, GWÖ, DNK) inspiriert sind und diese berücksichtigen. Bis Mitte 2022 sollen konkrete Vorschläge für die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorliegen.
Die neue Berichtspflicht läutet bei viele Unternehmen eine neue Ära ein. Aus dem oft stiefmütterlich behandelten Thema der Unternehmenskommunikation wird ein Thema, das auch Investor:innen und Kund:innen prüfen.
Die anfänglichen Mehrkosten für berichtspflichtige Unternehmen relativieren sich dadurch schnell. Unternehmensberatungen wie KPMG weisen darauf hin, dass die nicht-finanzielle Berichterstattung höheren Nutzen als Aufwand bringt. Die UN gibt an, dass durch die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) weltweit „Marktchancen in Höhe von 10.000 Milliarden Euro pro Jahr“ entstehen und dass Unternehmen mit einer guten CSR-Bilanz einen Startvorteil in diesen neuen Märkten haben.
Blinder Fleck: High-Risk Branchen
Die Erweiterung der Berichtspflicht auf alle größeren Unternehmen ist ein Schritt in die richtige Richtung – umfasst aber nur 0,2 Prozent aller europäischen Unternehmen. Negative Auswirkungen auf Menschen, den Planeten und das Klima finden aber unabhängig der Größe eines Unternehmens statt. Nicht-börsennotierte KMU weisen häufig einen hohen Bedarf bei der sozial-ökologischen Transformation auf. Negative Umweltauswirkungen wie Energieverbrauch, CO2-Emissionen oder Abfälle sind hier die Herausforderungen. Gerade KMU mit potenziell negativen Auswirkungen auf Klima und Mensch („high risk sectors“), wie etwa dem Bekleidungs-, Energie- und Bergbausektor, werden im Entwurf der EU-Kommission nicht angesprochen. Sie sind der blinde Fleck im derzeitigen Richtlinienvorschlag.
Dabei sollten auch nicht-börsennotierte, kleine und mittlere Unternehmen nicht-finanzielle Nachhaltigkeitsleistungen berichten und ihre Klimarisiken offenlegen.
Zudem fehlt die verpflichtende Angabe von Informationen zu Menschenrechten in der unternehmerischen Wertschöpfungskette. Auch hier gibt es dringenden Nachholbedarf.
Für die Mehrheit weiter freiwillig
Für die Mehrheit der deutschen Unternehmen gilt die CSRD nach wie vor nicht. Dabei sind KMU entscheidende Innovationstreiber und bestimmen maßgeblich den Dienstleistungssektor. Die Sorgen vieler KMU vor dem zusätzlichen Aufwand sind verständlich. Der Mehrwert einer Nachhaltigkeitsberichterstattung – bestehend etwa durch die Anerkennung durch Investor:innen oder den Wettbewerbsvorteil – ist aber unbestreitbar. Die Berichtsstandards müssen deshalb einfach, einheitlich und klar definiert sein. Es sollen vereinfachte KMU-Berichtsstandards entwickelt werden.
Das Rad muss hier nicht neu erfunden werden, im Gegenteil: Für viele nachhaltig agierende Unternehmen im BNW ist das Alles ohnehin nichts Neues. EMAS, Deutscher Nachhaltigkeitskodex, Gemeinwohlbilanz, B.Corp, CSE-Standard – um nur einige Umweltmanagement- oder Reportingstandards zu nennen, die die Unternehmen bereits umsetzen. Viele der progressiven Mitgliedsunternehmen des BNW erheben die Nachhaltigkeits-Daten schon seit Jahren freiwillig und richten daran auch ihre Geschäftsmodelle aus. Dass die EU jetzt nachzieht, ist einerseits erfreulich. Das Vorbild der BNW-Unternehmen zeigt aber auch, dass auch die Berichtspflicht einen Booster brauchen könnte: Die EU sollte die Vorgaben schnellstmöglich auf weitere Unternehmen ausweiten.
FAQ: Was erwartet Unternehmen mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)?
Der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW e.V.) ist seit 1992 die politische Stimme für eine zukunftsorientierte Wirtschaft. Der unabhängige Unternehmensverband setzt sich für Umwelt- und Klimaschutz ein, ist als gemeinnützig anerkannt und führt eine Reihe von Bildungsprojekten durch. Der Verband und seine 560+ Mitgliedsunternehmen zeigen: Wirtschaft, Soziales und Ökologie gehören zusammen. Über seinen europäischen Dachverband Ecopreneur.eu bezieht der Verein auch in Brüssel Stellung. www.bnw-bundesverband.de
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