„Klimaschutz ist standortschädlich!“ Diese Botschaft prägte zuletzt gerade seitens einzelner Akteure und Verbände die öffentliche Diskussion, eine Studie identifizierte gar nur 0,15% der deutschen Unternehmen als „nachhaltigkeitsorientiert“. Die Regulierung für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Sustainable Finance zieht derweil auf europäischer wie auch deutscher Ebene an – erfolgt dies gegen die Stimmung und Einstellung der deutschen Wirtschaft?
Eindeutig nein! Das ist das Ergebnis einer aktuellen forsa-Umfrage im Auftrag des internationalen Wirtschaftsforschungsinstituts OMFIF zusammen mit dem Bundesverband deutscher Banken, dem Deutschen Rechnungslegungslegungs Standards Committee, der Bertelsmann Stiftung, The New Institute, Flossbach von Storch, die Luxembourg Stock Exchange und Andersen Tax & Legal, die unter Schirmherrschaft des Bundesfinanzministeriums und der Luxemburger Botschaft steht. In der von forsa durchgeführten Umfrage wurden 104 mittelständische und 32 börsennotierte Unternehmen zum Umbau hin zu einer klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaft befragt. Die Ergebnisse offenbaren ein überraschendes Bild „an der Basis“: Gerade der gehobene Mittelstand steht einer Transformation zu klimaneutralem, nachhaltigem Wirtschaften in Breite eindeutig positiv gegenüber.
Trotz der nach wie vor schwierigen politischen Rahmenbedingungen für Transformation erwarten 3/4 der großen mittelständischen Unternehmen mindestens gleichermaßen Vor- wie Nachteile für ihr Unternehmen durch die Brüsseler Klimaschutzpolitik, die Hälfte der Mittelständler geht sogar davon aus, dass sie ihrem Unternehmen unterm Strich nutzen wird. Die börsennotierten Unternehmen sind hier nicht ganz so positiv.
Knapp 60 % erwarten wirtschaftlich mindestens gleichermaßen Vor- wie Nachteile infolge des Green Deals; nur knapp 1/3 erwartet eher Vorteile.
Eine der größten Überraschungen der Umfrage war, dass 3/4 dieser Unternehmen es begrüßen, dass die EU die nicht-finanziellen Berichterstattung auch auf nicht-börsennotierte Unternehmen erstrecken will. Nur die Hälfte der mittelständischen Unternehmen hatte davon zwar bereits gehört. Soweit es um Nachhaltigkeit geht, gibt der Mittelstand Brüssel derzeit also „Vorschusslorbeeren“ für Regelungen zu mehr Transparenz. Fast 1/3 der mittelständischen. Unternehmen sind der Ansicht, die Ausweitung der nicht-finanziellen Berichterstattung würde – im positiven Sinne – zu einer Auseinandersetzung mit dem Thema zwingen und dass Freiwilligkeit hier nicht reiche. Nicht ganz so positiv sind die börsennotierten Unternehmen, wenngleich auch sie den Richtlinienvorschlag eindeutig eher begrüßen (50%) als ablehnen (28 %).
Erstmals konnten mit der Umfrage auch Anhaltspunkte zu den „Taxonomie-Quoten“ unter deutschen börsennotierten Unternehmen abgefragt werden. Die EU-Taxonomie beschreibt und klassifiziert in der Europäischen Union Aktivitäten nachhaltigen Wirtschaftens. Unternehmen müssen hierzu erstmalig ab 2022 für das Berichtsjahr 2021 berichten. Rund ein Viertel der Unternehmen schätzt den Anteil ihrer Umsatzerlöse wie auch Investitionen für Taxonomie-konforme Aktivitäten auf bis zu 10 % ein, rd. 10% immerhin auf bis zu 50 % . Mit großer Mehrheit gehen die börsennotierten Unternehmen in den nächsten fünf Jahren zudem von einer Steigerung dieser Taxonomie-Quoten aus (88% bzw. 78%); das zeigt das Potential für Sustainable Finance.
Die Studie zeigt außerdem Bilanzierungseffekte im Strukturwandel. Wenn Unternehmen ihre Geschäftsmodelle tiefgreifend transformieren, fallen dabei typischerweise Aufwendungen an, die nicht einzelnen „assets“ zugeordnet werden können, wie Beratung, Schulungen der Mitarbeiter, Reorganisationskosten. Business-Transformation bildet sich daher bilanziell kurzfristig als erfolgsmindernd ab, obwohl sie die Unternehmen mittel- und langfristig resilient macht. Das bestätigen bereits 20% der Mittelständler und 28% der börsennotierten Unternehmen.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass wir erstens eine neue offene Diskussion über externe wie bankinterne Ratingverfahren im Strukturwandel benötigen und untermauern auch die Bedeutung strukturell ausgleichender Eigenmittelerleichterungen für nachhaltige Finanzierungen, wie sie die EU-Kommission auch vorgeschlagen hat. Zwar sind auch „grüne Investments“ und neue Technologien und Verfahren keineswegs risikofrei, weswegen die Bundesregierung – unter Hinweis auch auf die „Subprime-Krise“ 2007 – Eigenmittelerleichterungen für nachhaltige Investments ablehnt.
Solange allerdings in den Bilanzen der Unternehmen Klima- und andere Nachhaltigkeitsrisiken einerseits und positive finanzielle Effekte nachhaltiger wirtschaftender Unternehmen andererseits nicht hinreichend transparent sind, haben nachhaltige Unternehmen strukturell Nachteile bei der Finanzierung von Transformationsprozessen.
Die Umfrageergebnisse verdeutlichen daher auch, dass wir eine bessere Transparenz über Finanzindikatoren der Nachhaltigkeitslage benötigen, mit denen auch die Erfolgseffekte nachhaltiger Business-Transformation sichtbar werden.
Nicht zuletzt zeigte die Studie schließlich die Bedeutung der „doppelten Transformation“: Mit über 85% bestätigten die Unternehmen bestehende und erwartete Synergieeffekte zwischen Digitalisierungsprozessen und Maßnahmen zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.
Detailergebnisse sind HIER abrufbar.
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