Krisen sind spannende Zeiten in vielerlei Hinsicht. Ein bestehender Status wird infrage gestellt und teilweise bis auf seine Festungen durchgeschüttelt. Dabei müssen sich auch Unternehmen mit dem Status quo auseinandersetzen. Als Reaktion überlegt man sich im Top Management nun ganz genau, wo man sparen kann. So werden alle Unternehmensbereiche gebeten, Potenziale zu identifizieren. Auch wenn alle Innovationskultur wollen, wenn es hart auf hart kommt, ist die Innovationsabteilung mit die Erste, die infrage gestellt wird. Haben sich die ganzen Workshops, Sprints und Pitch Sessions gelohnt? Quo vadis Innovationsmanagement könnte man fragen?

Die Autoren des Beitrags sehen zwei mögliche Szenarien, die sich in den internen Innovations Think Tanks europäischer Unternehmen abspielen könnten.

Szenario 1: “Die Orientierungslosen”

Viele Post It’s wurden in Workshops geklebt, interne und externe Projekte initiiert, der ein oder andere MVP Prototype gepicht. Doch das Ziel der ganzen Projekte bleibt über das Phrasenbingo hinaus unbekannt. Und wer bekanntermaßen nicht genau weiß, wo er hin will, der kann auf den gelaufenen Umwegen nicht mal die gewonnen Ortskenntnisse als Erkenntnis verbuchen. Fazit: Ein leichtes Ziel für Einsparungen. Stellen werden gekürzt, Projekte zusammengestrichen, einige Leute werden versetzt und aus den übrig gebliebenen wird jetzt das Internal Change Management. Mit der Auflösung der zentralen Abteilung ist in der Unternehmenssprache Innovation nun wieder Teil des gesamten Unternehmens: Kosteneinsparungsziel erreicht. Innovation ist delegiert in die Verantwortungslosigkeit.

Szenario 2: “Die Disziplinierten”

Aber es geht anders und disziplinierter. Es wird nachjustiert, aber die allgemeine Innovationsstrategie ist klar benannt, die Projekte, um dahin zu gelangen, sind definiert und qualifiziertes Personal ist am Werk. Man hat sich Ziele gesetzt und steuert über wenige, vom Ziel abhängige Kennzahlen. Wenn dann mal ein Projekt schief geht, ist relativ schnell identifiziert warum und man kann aus den Fehlern lernen. Allen Beteiligten ist klar, dass sich Kreativität und Performance für Innovation selten über Effizienz getriebene Zahlen definieren lässt, sondern dass Kundennähe und eine steile Lernkurve wichtiger sind.

Gleichzeitig schweben Innovationsprojekte nicht in der unternehmerischen Wolke und müssen Mehrwert und Relevanz sowie Verantwortung für das Ressourcen Investment zeigen.

Innovation braucht Disziplin und Kompetenz

Unser positives Szenario zeigt, für Innovation braucht es neben vielen anderen Zutaten vor allem Kompetenz und Disziplin. Gary Pisano, Management und Innovationsforscher hat es in einem Artikel 2019 für den Harvard Business Review folgendermaßen beschrieben:

“A tolerance for failure requires an intolerance for incompetence. A willingness to experiment requires rigorous discipline,”.

Mit diesen zwei Sätzen bringt er es auf den Punkt. Nicht die alleinige Anwendung von Methoden wie Design Thinking oder Lego Serious Play stehen im Fokus. Sondern es geht um die Kombination von Kompetenz und Disziplin im Kreativitätsprozess.

Disziplin heißt Selbstkritik

Sich selber gegenüber kritisch zu sein und die Annahmen auf den Punkt zu bringen und immer wieder zu hinterfragen, ob man Aussagen richtig interpretiert hat, erfordert Disziplin. Auch gilt es im Laufe des Prozesses iterativ vorzugehen, so oft wie möglich zu testen und nach dem Scheitern wieder zu einem früheren Punkt zurückzukehren und wieder neue Wege einzuschlagen. Das ist keine Freitagnachmittags-Übung, sondern ein Fulltime-Job. Damit diese Disziplin überhaupt an den Tag gelegt werden kann, braucht es Kompetenz.

Kompetenz im Fach und im Vorgehen

Wenn man von Kompetenz spricht, gibt es unterschiedliche Kompetenzen. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Fachkompetenz und die Methodenkompetenz. Beides sollte in Innovationsprojekten vorhanden sein. Die Fachkompetenz ist entscheidend um den Markt zu verstehen, auch wenn hier teilweise die Gefahr für Scheuklappen besteht aufgrund von «Betriebs- bzw. Fachblindheit». Die Methodenkompetenz ist entscheidend, um durch den Innovationsprozess zu führen und die notwendige Disziplin an den Tag zu legen.

Der Unterschied

Genau diese Kombination unterscheidet die zwei Szenarien und damit auch Erfolg oder Misserfolg was das Thema Innovation angeht. Gerade in der Krise werden Schwächen oder Unprofessionalität sichtbar. Bevor man überhaupt startet, sollte man es sich also ganz genau überlegen. Wer neidvoll zu den Googles und Apples dieser Welt schaut, erkennt oft nicht, welche harte Arbeit, Disziplin und Vorbereitung hinter jeder einzelnen Idee steht. «Luck is when preparation meets opportunity» sagt einmal ein griechischer Philosoph. Sind sie vorbereitet?

Checkliste: Woran du erkennst, dass du in einem guten Innovationsprojekt bist?

  • Die beteiligten Akteure haben klare Rollen und die erforderliche Fach- und Methodenkompetenz.
  • Das Motiv des Projektes ist klar erkennbar
  • Es ist ein klarer Weg erkennbar, der erkennen lässt welche Annahmen man schon validiert und welche Annahmen noch zu validieren sind. Dies ist auch über bestimmte Ergebnisse (qualitativ oder quantitativ) transparent nachvollziehbar
  • Zeit und Ressourcen für das Projekt sind klar definiert
  • Die beteiligten Akteure sind intrinsisch motiviert und sind bereit das notwendige Zeitinvestment zu machen
Quelle: Pisano, Gary. 2019. “Innovation Isn’t All Fun and Games — Creativity Needs Discipline.” Harvard Business Review, January. https://hbr.org/2019/01/the-hard-truth-about-innovative-cultures.

 

 

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