Die Coronakrise schadet der Weltwirtschaft, vermutlich in noch größerem Umfang als die Finanzkrise vor zehn Jahren. Chinas Wirtschaft ist im ersten Quartal dieses Jahres um 13% eingebrochen, für die USA wird im zweiten Quartal ein Einbruch von 10% vorhergesagt. Prognosen für Deutschland sind etwas weniger grimmig, aber gehen mindestens von einer Senkung des Bruttoinlandsproduktes um 4,5% in 2020 aus.

Auf einer konkreteren Ebene bedeutet das für viele Menschen der Verlust oder die Reduzierung von Einkommen und die Bedrohung der Existenz. In Deutschland, wo über 40% der Einwohner kein Vermögen und somit keinen ausreichenden Notfallpuffer haben, kann die Coronakrise schnell zur Armut und Verschuldung führen. In Ländern mit geringerem Wohlstand und schlechteren Versorgungssystemen ist diese Bedrohung noch unmittelbarer.

Ein altes Mittel, dass sich bewähren könnte

Neben den zahlreichen neuen und erprobten Soforthilfepaketen, die nun in Kraft treten, um Arbeitsplätze zu sichern bzw. die Wirtschaftsleistung auf der Spur zu halten, wird auch die Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen wiederaufgenommen, in Deutschland etwa in einer digitalen Petition, die zur Zeit fast eine halbe Million Mal unterschrieben wurde.

Eine aktuelle Civey Umfrage mit 2500 Online Teilnehmern zu dem Thema ergab, dass ein Drittel das Grundeinkommen für einen geeigneten Lösungsansatz für die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise halten und zusätzliche 20% der Idee aufgeschlossen gegenüber stehen.

Ein Viertel der Befragten hält den Ansatz für komplett ungeeignet und es gibt natürlich nach wie vor die gleichen Einwände, die schon vor der Pandemie gegen das bedingungslose Grundeinkommen vorgebracht wurden. Wie aber bestehen diese bekannten Einwände in der derzeitigen Krise?

Einwand 1: Will dann noch jemand arbeiten gehen?

Schon vor der Krise gab es keinen wirklich empirischen Anhaltspunkt dafür, dass Menschen, die ein Grundeinkommen erhalten, nur noch faul auf der Couch liegen möchten. Im Gegenteil führte die Maßnahme in zahlreichen Modellversuchen zu einer umgehenden Verbesserung der Lebens- und Arbeitsumstände, zum Beispiel in Alaska oder in Kenia. Zurzeit ist die Frage ja nicht, wer noch arbeiten gehen will, sondern wer noch arbeiten gehen kann? Es scheint unwahrscheinlich, dass sich in einer Realität, in der Millionen Menschen in Home Office zu arbeiten versuchen bzw. ihre Einkommensmöglichkeiten mit großer Kreativität umdisponieren, die Arbeitsmoral sinken würde, wenn man sie mit Hilfe eines Grundeinkommens von ihrer Existenzangst befreite.

Die Furcht davor, ein solches Einkommen auszuzahlen scheint eher von einem Wertesystem herzurühren, in dem Geld ordentlich verdient werden muss und nicht einfach so verteilt werden darf. Dieser Glaubenssatz dürfte in Zeiten, in denen der gesellschaftliche Stellenwert von Erwerbsarbeit hinterfragt wird und sich niedrig bezahlte oder unbezahlte Arbeit häufig als virulenter herausstellt als hochbezahlte Beschäftigung, bald generalüberholt werden.

Einwand 2: Wer soll das bezahlen?

Ist Geld in Krisenzeiten wirklich ein Thema? Momentan werden für Einkommensausfälle Milliardenbeträge zur raschen Auszahlung bereitgestellt, häufig ohne großen formalen Aufwand und in Form von „no-strings-attached“ Zuschüssen. Gesundheit geht vor Geld, wenn es darauf ankommt. Die Regierungen übertreffen sich teilweise in ihrer Rolle als Fürsorger. Das ist, bei aller Angst vor dem Verlust von Autonomie, ein hilfreiches Zeichen dafür, dass staatliche Hilfe im großen Stil nicht nur möglich ist, sondern bedingungslos sein kann. Finanziert werden Einkommensbeihilfen so oder so vom Steuerzahler, also von denjenigen, denen sie zugutekommen. Jetzt geht es darum, die kurzfristigen Helikopterzahlungen in langfristige Entlastungsgelder zu verwandeln, die bürokratisch niederschwellig bleiben und die jetzige Grundversorgung ersetzen könnten. Grundeinkommen verursachen im Übrigen nicht nur Kosten, sondern können sie auch senken, zum Beispiel die Lohnkosten für Arbeitgeber, vor allem in Krisenzeiten und der darauffolgenden Erholung.

Einwand 3: Wieso sollten die Reichen ein Grundeinkommen erhalten?

Um nicht einen bürokratischen Aufwand mit einem anderen zu ersetzen und die Einführung von einem bedingungslosen Grundeinkommen mit der aufwändigen Prüfung von Bedürftigkeit zu belasten, ist der einfachste Weg, allen ein Grundeinkommen zu zahlen. Wer es nicht braucht oder trotz Krise mehr verdient, als angenommen zahlt es mit der Steuer zurück. Dieser Ansatz spart nicht nur administrative Kapazität, es macht vor allem viele Köpfe frei für erfülltes und produktives Leben und Arbeiten.

Covid19 zeigt uns bereits, dass wir als Gesellschaft und Arbeitswelt zusammenstehen können.

Von Hamsterkäufen und Krisenkriminalität abgesehen, unterstützen sich Menschen gegenseitig in Quarantäne, Arbeitsbeziehungen florieren digital und der öffentliche Dienst kümmert sich. Offensichtlich entspringen scheinbar unlösbare Probleme nicht der Unlösbarkeit, sondern dem Unvermögen, sich zu einigen.

Dieses Unvermögen wird in Krisenzeiten zur Bereitschaft, Neues auszuprobieren. Warum sollten wir das nicht nutzen, um das Instrument des bedingungslosen Grundeinkommens flächendeckend zu testen, wenn es zur Reduzierung der Armut und der Freisetzung von ungenutzter Kreativität beitragen kann – zwei Potenzialen also, die in den kommenden Jahren vonnöten sein werden.

 

 

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