#einfachmachen. Dazu will Das Handwerk in seiner Imagekampagne seit nunmehr fast 10 Jahren insbesondere junge Menschen ermutigen, um das traditionsreiche Gewerbe mit neuen Talenten weiterzuentwickeln. Man präsentiert sich als verbindlich, aber zukunftsgerichtet, traditionell, aber innovativ, praktisch und weiterdenkend; außerdem als Anbieter von gleichermaßen viel Kooperations- wie Selbstverwirklichungsraum. Und tatsächlich hat Das Handwerk hier einiges vorzuweisen. Wo Wirtschaft und Arbeit sich wandeln, geht auch das deutsche Handwerk neue Wege. Zugleich ist es in der Debatte um diesen Wandel trotz seiner enormen wirtschaftlichen Bedeutung und der hohen Beschäftigungszahlen kaum präsent.

Im Interview: Alexander Hanatschek aus dem
Kompetenzzentrum Digitales Handwerk

© Hier steht eine Quellenangabe.

(Instagram: @processcraft – Twitter: @process_craft)

Dabei befasst man sich auch im Handwerk längst mit Digitalisierung und Vernetzung und erprobt neue Arbeitsformen. Wie genau, darüber habe ich mit Alexander Hanatschek gesprochen. Er unterstützt an der Handwerkskammer Koblenz im Projekt Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH), einem Zusammenschluss mehrerer Handwerkskammern und handwerksnahen Vereinen, Betriebe insbesondere bei den Themen Prozessdigitalisierung und digitale Transformation; zudem kennt er die Herausforderungen und die Fortschritte der Digitalisierung im Handwerk und schult Berater zu den Themen Prozessmanagement und zur Durchführung von Digitalisierungsprojekten.

Herr Hanatschek, in der Diskussion um Digitalisierung und den Wandel von Wirtschaft und Arbeit kommt das Handwerk so gut wie gar nicht vor. Warum, denken Sie, ist das so? Findet hier etwa gar kein Wandel statt?

Derzeit werden im Handwerk noch viele Betriebe von Meistern geführt, die den Einsatz des Fax-Geräts und von Computern als technische Neuerung empfinden. Auch in der Vergangenheit hatten einige Betriebsinhaber Vorbehalte gegenüber diesen neuen Technologien. Jedoch verändert die Digitalisierung – mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit – die Regeln des Arbeitsmarktes und die Gesellschaft an sich. Somit kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass Betriebsinhaber sich von all diesen Neuerungen überwältigt fühlen; und sich aus Angst vor dem Ungewissen verschließen.

Ich selbst kenne einen Sanitär- und Heizungsbetrieb in meiner Nachbarschaft, der seit fast 45 Jahren von dem gleichen Meister geführt wird. Der Inhaber ist schlichtweg von technischen Neuerungen überfordert, die sowohl in der Verwaltung seines Betriebs als auch bei den zu installierenden Gerätschaften Einzug hielten.

Sicherlich sind Gewerke wie Sanitär- und Heizungsbau, Rollladen- und Sonnenschutz-Techniker, Elektriker oder auch KFZ-Mechatroniker bereits sehr weit vorn, wenn es um den Einsatz digitaler Produkte geht. Aber selbst in diesen Gewerken spüre ich immer wieder große Schwierigkeiten, Neuerungen und Innovationen anzunehmen. Ich kann daher sehr gut verstehen, dass andere Gewerke, wie Goldschmiede, Friseure oder Metzger – also Gewerke, deren Arbeit sich weniger auf das Installieren oder Reparieren von Maschinen fokussiert, sondern noch mehr auf das Arbeiten mit den Händen – noch größere Schwierigkeiten haben, mit solchen Veränderungen mitzuhalten.

Aber braucht denn ausgerechnet ein Traditionsgewerbe wie das Handwerk eine Digitalisierungsstrategie? Sind die Herausforderungen des Wandels an das Handwerk und der Entwicklungsdruck tatsächlich so groß?

Jeder Betrieb, sei es eine Zwei-Mann GmbH oder eine Aktiengesellschaft, braucht eine langfristige Strategie; egal, für welche Veränderung. Dabei muss der Mensch immer im Zentrum dieser Strategie stehen. Denn – so mein Leitspruch zur Entwicklung einer Digitalisierungsstrategie:

Es ist ein Mensch, der mit einem Menschen für einen Menschen digitalisiert.

Ich habe, bevor ich in die Handwerksorganisation kam, sowohl Konzerne als auch kleine Unternehmensgruppen beraten. Ich war damals immer wieder überrascht, wie viel eine langfristig gut durchdachte und konsequent umgesetzte Strategie ausmachen kann. Auch die digitale Transformation eines einzelnen Prozesses oder eines gesamten Unternehmens muss mit Blick auf ein festes Ziel und in logisch geordneten Schritten ablaufen. Denn sonst wird ein vorher schlecht ausgeführter analoger Prozess auch nur schlecht digital transformiert.

Zugleich dürfen wir im Hinblick auf das Handwerk nicht vergessen, dass die Digitalisierung von Prozessen die Fähigkeit der Abstraktion fordert.

Ein manueller Prozess muss abstrakt erfasst und abstrakt verstanden werden, bevor eine Digitalisierung erfolgreich möglich ist.

Viele Handwerker sind sehr praktisch veranlagt, was auch gut ist. Das macht es jedoch für einige Handwerker umso schwieriger, in abstrakten Prozessmodellen zu denken. Zudem gibt es weder für das gesamte Handwerk noch für einzelne Gewerke eine Patentlösung, wie eine Digitalisierungsstrategie aufzubauen ist, geschweige denn, wie sie umgesetzt werden muss. Das liegt einfach an der Individualität der Handwerksbetriebe.

Hinzu kommt auch, dass durch die gute Auftragslage und den Fachkräftemangel viele Handwerksbetriebe ohnehin sehr stark gefordert sind. Es fehlt oft schlicht die Zeit, sich mit Themen wie der Entwicklung einer Strategie oder der Digitalisierung zu befassen.

Kann man angesichts der Vielfalt des Handwerks überhaupt eine allgemeine Prognose abgeben, was der Wandel hier bedeutet und möglicherweise bewirkt, und dann allgemeine Empfehlungen geben? Oder muss man jede Branche oder gar jeden Betrieb für sich betrachten?

Solch eine Prognose zu geben ist tatsächlich nur sehr schwer möglich.

Generell muss das Handwerk sehr individuell betrachtet werden; auch vor dem Hintergrund seiner Kleinteiligkeit. Ein Handwerker hat in der Regel eine enge Beziehung zu seinen Stammkunden und ist regional bekannt. Das sorgt für eine starke Anpassung eines Handwerksbetriebes an das regionale Umfeld. Somit geschieht auch die Digitalisierung der jeweiligen Betriebe mit teils großen regionalen Unterschieden.

In Ostfriesland bin ich im vergangenen Jahr auf zwei Betriebe getroffen: Beide Betriebe waren sehr erfolgreich und lagen räumlich nicht weit voneinander entfernt. Jedoch war der eine Betrieb papierlos und digital sehr gut aufgestellt, während der andere Betrieb fast ausschließlich mit papiergebundenen Prozessen arbeitete. Dennoch hatten beide Betriebe einen rentablen Kundenstamm und konkurrierten auch nicht spürbar miteinander.

Am Ende müssen die Gewerke einzeln oder zumindest in kleinen Gruppen betrachtet werden. Außerdem muss man unterscheiden, ob ein Betrieb auf dem Land oder in einer Stadt tätig ist. Durch die Unterschiede der Gewerke sind auch die Anforderungen an die Digitalisierung unterschiedlich.

Ein Sanitärbetrieb wird immer mehr auch Lösungen aus dem Bereich Smart-Home in Häusern installieren und muss diese dafür auch verstehen. Solche Dinge waren vor 20 Jahren noch eine Rarität.

Aber von einem Frisör erwarten wir heute wie vor 20 Jahren, dass er unsere Haare wäscht und schneidet. Somit findet die Digitalisierung hier auf anderen Wegen und mit anderen Auswirkungen für den Betrieb statt. Dabei verläuft die Digitale Transformation eines Frisörbetriebs in ländlichen Regionen langsamer ab als in urbanen Regionen. In einigen Großstädten wie Berlin oder Frankfurt bieten Friseure heute schon eine Online-Terminvergabe an. Auf dem Land werden Termine dagegen nach wie vor nur per Telefon oder sogar persönlich vereinbart; die meisten Betriebe habe auch gar keine eigene Homepage. ,

In Ihrer Tätigkeit für das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) arbeiten Sie sehr eng mit den Betrieben zusammen und leisten sehr individuelle Unterstützung. Wie sehen denn Ihrer Erfahrung nach die Betriebe selbst diese Herausforderungen? Begrüßt die Mehrheit der Unternehmen den Wandel oder würde man lieber so weiter machen wie bisher?

Es gibt Handwerker mit dem Bestreben, nach wie vor in ihren gewohnten Strukturen zu arbeiten; sie begegnen digitalen Neuerungen eher abweisend. Aber es gibt auch digitale Macher, die neue Wege gehen und täglich ausprobieren, wie sie durch Digitalisierung ihre Arbeit erleichtern oder für ihre Kunden einen höheren Mehrwert generieren können.

Wollen wir nicht alle so weiter machen wie bisher? Der Mensch ist doch schließlich ein Gewohnheitstier.

Von einer Mehrheit im Handwerk kann jedoch noch nicht gesprochen werden. Dies ergibt sich schlichtweg aus der Altersstruktur der Betriebsinhaber. Sicherlich haben sich Computer und branchenspezifische Software auch in Handwerksbetrieben etabliert und es gibt auch Handwerker, die sich mit CNC Fräsen, 3D-Druckern und digitalen Designmöglichkeiten aktiv im betrieblichen Alltag beschäftigen. Zudem werden es immer mehr Handwerker, die sich hiervon inspirieren lassen.

Technische Neuerungen kommen heute einfach wesentlich schneller auf den Markt als noch vor 20 Jahren. Somit kommen wir oft nicht hinterher mit der eigenen Einschätzung, ob diese Neuerung es wert ist, sie einzusetzen oder eben nicht.

Am Ende sollten wir alle, ungeachtet unserer Tätigkeit, erstmal jeder neuen Technologie eine Chance geben und versuchen, angstfrei Neues auszuprobieren.


Ist der anhaltende Auftragsboom im Handwerk eher Motor oder Bremsklotz einer zukunftsfähigen Unternehmens- und dann auch Digitalisierungsstrategie?

Auch das ist wieder eine Frage der Perspektive. Bei Gewerken wie dem Sanitär- und Heizungsbau, die durch ihre Zulieferer aus der Industrie ohnehin sehr in die Digitalisierung gedrängt werden, ist die stabile Auftragslage sicherlich ein Treiber der Digitalisierung.

Jedoch bremst die stabile Auftragslage im Handwerk die Betriebe insofern, dass Handwerker im Moment allgemein sehr gefragt sind. Meist entscheidet sich der Kunde für den Handwerker, der am schnellsten verfügbar ist, ungeachtet von dessen Digitalisierungsstand. Der Entwicklungsdruck ist hier also weniger hoch. Das zusammen mit dem Bestreben, in altbewährten Strukturen zu arbeiten, ist, vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, sicherlich hinderlich für die digitale Entwicklung eines Betriebes. Aber das kann sich schnell ändern.

Was bedeutet es für Betriebe und Kunden ganz praktisch, wenn das Handwerk digitaler wird?

Die Leistungen und Produkte, die ein Handwerker anbietet, werden durch die Digitalisierung zum einen benutzerfreundlicher und zum anderen auch nach Möglichkeit individueller.

Einfache Beispiele dafür gibt es bereits auf dem Markt. Softwarelösungen ermöglichen es schon heute, dass Handwerker sich den Abschluss eines Auftrags per Unterschrift auf einem Tablet bestätigen lassen, was dann automatisch die Erstellung und den Versand einer Rechnung per E-Mail an den Kunden auslöst.

Aber es gibt auch Lösungen aus dem Handwerk, die den Handwerkern helfen, ihre Dienstleistungen besser an die Veränderungen des alltäglichen Lebens der Menschen anzupassen. So gibt es im Raum Trier einen Metzger, der sich das Prinzip der Packstation von DHL zunutze gemacht hat: Kunden können online ihren Einkauf erledigen und abends an einer Art Packstation auch lange nach Ladenschluss ihre Waren abholen. Somit werden auch die Angebote kundenfreundlicher, ohne dass ein Betrieb seine Strukturen stark verändern muss.

Ein weiteres Beispiel aus dem Raum Trier ist ein Gerüstbauer, der Häuser mittels einer Drohne vermisst. Dadurch erhält der Kunde nicht nur wesentlich schneller einen genaueren Kostenvoranschlag für das Gerüst, sondern zusätzlich auch einen dreidimensionalen Scan des eigenen Hauses, der wiederum von anderen Gewerken wie Dachdeckern etc. genutzt werden kann.

Wo werden solche digitalen Lösungen außerdem noch umgesetzt und wo sehen Sie den größten Entwicklungsbedarf?

In den Ausbau- und Innenausbau-Gewerken sind meiner Erfahrung nach die meisten innovativen und neuen digitalen Lösungen im Einsatz. Das ist auch eine Folge der Entwicklung bei den neuen Smart-Home-Lösungen. Aber auch bei den Orthopädieschuhtechnikern sind bereits heute 3D-Scanner und -Drucker im Einsatz.

Ich würde es jedoch gar nicht mal so sehr auf Gewerke beziehen.

Theoretisch gibt es in jedem Gewerk innovative digitale Lösungen und es zeigt sich immer wieder, dass in jedem Gewerk ein digitales Geschäftsmodell in irgendeiner Form möglich ist.

Vermehrt sind es aber junge Betriebe und junge Handwerksmeister, die sich für die Digitalisierung interessieren und deren Mehrwert für sich erkannt haben und nutzen. Daher würde ich den Entwicklungsbedarf eher bei den etablieren Betrieben mit einer langjährigen Firmengeschichte sehen. Ebenso zeigt sich, dass tendenziell in Städten und Ballungsgebieten Handwerker mit höherer Affinität zur Digitalisierung zu finden sind als auf dem Land. Ausschlaggebend ist hier aber in erster Linie, welche Anforderungen der Kunde stellt.

Konkret wäre es aber wünschenswert, wenn alle Handwerker flächendeckend immerhin die Bedeutung eines seriösen Internetauftrittes und das dokumentieren der eigenen betrieblichen Prozesse als notwendig erachten. Außerdem wäre es hilfreich, die betriebliche Verwaltung so zu organisieren, dass die meisten Arbeitsabläufe simpel und schnell zu bewerkstelligen sind oder sogar automatisiert werden können. Hier sehe ich bei vielen Handwerkern deutschlandweit noch ein großes Entwicklungspotential.

Was wollen Sie tun, um dieses Entwicklungspotenzial auszuschöpfen? Wie unterstützt das Kompetenzzentrum Digitales Handwerk (KDH) die Betriebe konkret?

Das KDH agiert deutschlandweit, stellt Expertenwissen zur Verfügung und führt Schulungen durch, informiert und sensibilisiert Handwerksbetriebe bezüglich der konkreten Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien und gibt nützliche Hilfestellungen zur praktischen Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen. Dabei sind alle Hilfestellungen für Handwerker kostenfrei. Das große Ziel ist es, dem Handwerk die Kompetenzen für einen effektiven Umgang mit allen Neuerungen der Digitalisierung zu vermitteln. Handwerkern soll die Angst vor der Digitalisierung genommen, aber auch die Chancen und die Bedeutung der Digitalisierung verdeutlicht werden.

Sie sind hier auch mit Politiker und anderen Entscheidungsträger im Gespräch? Welche Unterstützung bekommen oder erwarten Sie von politischer Seite?

Die Politik ist bereits sehr aktiv.  Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) fördert nicht nur die Initiative Mittelstand Digital, aus der auch das KDH gefördert wird, sondern auch an vielen Handwerkskammern die Berater für Innovation und Technologie sowie auch die Betriebsberater. Diese unterstützen auch das KDH, indem sie als Multiplikatoren im Handwerk wirken. Gerade die Förderung der Initiative Mittelstand Digital ist dabei schon eine sehr wichtige Unterstützung, nicht nur für das Handwerk, sondern für den gesamten Mittelstand.  Wir als KDH stehen mit dem BMWi in engem Austausch. Aber auch auf Landesebene findet mit den Politikern der Bundesländer sowie mit anderen Kammern und Verbänden viel wertvoller Wissenstransfer durch einen gemeinsamen Austausch statt.

Wünschenswert wäre, dass die Kultusminister erkennen, dass noch mehr digitale Inhalte in die Ausbildung kommen müssen, um zukünftige Generationen von Gesellen im Handwerk mit der Digitalisierung eng vertraut zu machen.

Dazu gehört auch, dass diese Kompetenzen bereits in der Schule vermittelt werden müssen. Dafür braucht es in den Schulen die notwendige Ausstattung, um eben solches Wissen zu vermitteln. Ebenso muss, über einen stärkeren Netzausbau, jedem Handwerksbetrieb lokal unabhängig die Chance gegeben werden, digitale Technologien auch einzusetzen. Hier sehe ich bereits gute Ansätze bei der Politik, die aber mehr intensiviert werden müssen.

Des Weiteren muss die Förderungen für Handwerker weiter ausgebaut werden. Einige Bundesländer haben dazu schon den Digital-Bonus ins Leben gerufen, mit welchem verschiedene digitale Projekte in den Betrieben finanziert werden können. Solche Förderungen sollten auf Bundeebene ausgerollt werden, um Handwerkern weitere Anreize zu schaffen, sich intensiver mit der Digitalisierung des eigenen Betriebes auseinander zu setzen.

Ich denke, dass die Wirtschaft hier ihren Weg gehen wird, aber dass an vielen Stellen politische Maßnahmen einiges erleichtern könnten. Jeder Betrieb und jedes Unternehmen rückt das, was es gerade als wichtig erachtet, in den Fokus. So entwickeln die großen Konzerne heute bereits intensiv Lösungen, um sowohl den eigenen Fachkräftemangel, als auch den der Zulieferer auszugleichen. In den Produktionsstätten einiger Automobilhersteller zeigen digitale Assistenzsysteme, also künstliche Intelligenzen, den menschlichen Arbeitern mittels Lichtsignalen, wie eine Schraube einzudrehen ist und welches Werkzeug dafür verwendet werden muss.

Zugleich gibt es auch Handwerker, die sich jetzt schon damit befassen, wie solche Technologien im Handwerksbetrieb eingesetzt werden können; lange bevor es standardisierte Lösungen der Industrie gibt. Es ist wichtig, dass neue Technologien, wie etwa digitale Assistenzsysteme, nicht den Konzernen und großen Unternehmen vorbehalten bleiben, sondern das ebenfalls der Mittelstand befähigt wird, diese neuen Technologien für sich einzusetzen. Auch hier kann die Politik Einfluss nehmen.

Können Sie ein Beispiel eines Betriebes nennen, den Sie in der Umsetzung einer Digitalisierungsstrategie erfolgreich begleitet haben?

Im Großraum Düsseldorf kam ein Handwerker auf mich zu, der es leid war, Angebote zu schreiben. Besonders in Ballungszentren kommt es häufig zum sogenannten Angebots-Tourismus. Dabei holen Kunden sich von verschiedenen Handwerkern Angebote ein und versuchen, mit dem billigsten Angebot die anderen Betriebe im Preis zu drücken. Dieser Handwerker sah es nicht mehr ein, darauf die Arbeitszeit seiner Mitarbeiter zu verschwenden.

Die Lösung für dieses Problem war, eine Online-Plattform zu entwickeln, die sich sehr leicht in bestehende Webseiten integrieren lässt. Dabei werden auf der Plattform die Daten zu den Stundensätzen und Kosten für die einzelnen Dienstleistungen und Arbeiten hinterlegt. Der Kunde klickt sich durch eine Auswahl an Dienstleistungen und stellt sich sein Angebot dabei selbst zusammen. Man kann es sich in etwa so vorstellen wie ein Online-Shop für handwerkliche Dienstleistungen.

Die digitale Lösung setzt dabei im Handwerksbetrieb Kapazitäten frei, weil sich Mitarbeiter nicht mehr mit dem Schreiben von Angeboten befassen müssen. Somit können die Mitarbeiter sich anderen Aufgaben im Betrieb widmen.

Zudem wird die Dienstleistung des Handwerkers praktisch nicht mehr verhandelbar, zugleich hat der Kunde die Möglichkeit zum schnellen und transparenten Vergleich. Die Plattform macht sich den Handwerkermangel und die gute Auftragslage im Handwerk zunutze.

Diese Plattform nutzt der Handwerksbetrieb selbst, verkauft diese Lösung aber auch an andere Handwerker. Der entscheidende Marktvorteil dieser Online-Plattform hinsichtlich eines Verkaufs an andere Handwerker ist, dass diese Lösung von einem Handwerker für das Handwerk entwickelt wurde und nicht von einem Softwareunternehmen.

Welche Projekte planen Sie für die Zukunft?

Die nächsten großen Themen, an denen wir im KDH auch bereits in den ersten kleinen Projekten arbeiten, ist das Thema der digitalen Assistenzsysteme. Die Bundesregierung hat bereits mehrfach die Bedeutung dieses Themas für den Wirtschaftsstandort Deutschland betont. Das BMWi hat Fördergelder für Fachpersonal bereitgestellt, um den Mittelstand und damit auch das Handwerk hier zu eigenen Entwicklungen zu befähigen.

Ebenso versuchen wir vermehrt, das Wissen, das wir im KDH durch unsere Projekte gesammelt haben, in die Handwerksorganisation zu übertragen. Wir bedienen uns hier zum einen des Multiplikator-Effektes, um noch mehr Handwerker zu erreichen und zu unterstützen; zum anderen helfen wir der Handwerksorganisation, die Ausbildung neuer Handwerker mit mehr digitalen Inhalten zu versehen.

Mit der Ausbildung sprechen Sie ein wichtiges Thema an: In anderen Bereichen wird Qualifizierung der Schlüssel sein, die Digitalisierung zu bewältigen. Ist das auch im Handwerk so?

In jedem Fall trifft dies auch auf das Handwerk zu. Es reicht nicht aus, nur die bestehenden Betriebe zu digitalisieren. Auch die kommenden Generationen von Handwerkern müssen so mit der Digitalisierung vertraut gemacht werden, dass der Umgang mit diesen Technologien alltäglich wird.

Daher entwickeln wir im KDH einzelne Schulungskonzepte für Auszubildende im Handwerk, für die Ausbilder der Handwerksorganisation sowie für deren Berater. Denn: Auch viele Handwerkskammern haben diese Notwendigkeit bereits erkannt. Sie überarbeiten ihre Lehrpläne und statten die Lehrräume mit digitalen Technologien aus, um Wissen effektiver zu vermitteln.

Glauben Sie, dass die Digitalisierung das Handwerk grundlegend verändern wird? Wieviel Digitalisierung verträgt Handwerk denn überhaupt?

Auch bei dieser Frage müssen wir die Unterschiede der einzelnen Gewerke und der darin enthaltenen Betriebe berücksichtigen. Ein Friseur wird auch noch in 20 Jahren die Haare des Kunden schneiden und Heizungsinstallateure werden Heizungen montieren. Aber wir werden in den Friseursalons vielleicht Bildschirme haben, auf denen wir uns vorher eine neue Frisur oder eine neue Farbe individuell an uns angepasst aussuchen können. Wir werden Heizungen haben, die mit noch viel mehr Sensoren an das Internet der Dinge angeschlossen sind. Friseure werden nach wie vor klassisches Fachwissen anwenden können, wenn ihnen der Einsatz digitaler Technologien eine konkretere Vorstellung der Wünsche ihrer Kunden ermöglicht. Aber Installateure müssen verstehen, welche Sensoren und technischen Lösungen in den Heizungssystemen verbaut sind.

Was sich außerdem verändern wird, ist die Beziehung zwischen dem Handwerk und seinen Kunden. Immer mehr Kommunikation und Interaktion wird online ablaufen; wir werden unsere Bestellung in der Bäckerei oder der Metzgerei online aufgeben und im Laden abholen können. Zudem werden Technologien wie der 3D-Druck oder Online-Planungstools dem Trend der personalisierten Produkte noch weiter verstärken. Bereits heute setzten Handwerksbetriebe den 3D-Druck ein und Firmen wie Banovo ermöglichen es, das neue Badezimmer bequem am Laptop von der Couch aus zu planen.

Ebenso wird sich der Markt für Handwerksbetriebe verändern. Heute sehen wir schon bei Firmen wie Thermondo, dass auch im Handwerk neue Geschäftsmodelle Einzug halten. Hier wird die Heizung nicht mehr gekauft, sondern inklusive aller Serviceleistungen gemietet.

Das Handwerk verträgt noch eine ganze Menge an Digitalisierung. Aber am Ende wird die Digitalisierung nicht den Handwerker ersetzen, sondern nur Teile seiner Arbeit verändern. Jedoch werden es die digital gut aufstellten Betriebe sein, die neue Standards bei den Kunden setzen und somit den Markt für alle Handwerksbetriebe bestimmen.

 

IN EIGENER SACHE:

Egal ob Sie bereits ein digitaler Macher sind oder noch hinzulernen können: Das Handwerk ist regional stark verwurzelt und leistet einen wesentlichen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Viele Betriebe engagieren sich in ihrem Umkreis. Kindern das Handwerk näherbringen und somit die Mitarbeiter von morgen erreichen. Tatkräftig anpacken, wenn es ein soziales Projekt zu verwirklichen gilt. Oder örtliche Vereine unterstützen – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Gemeinsam mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks zeichnet das Projekt „Unternehmensverantwortung regional wirksam machen“ im Wettbewerb „Mein gutes Beispiel“ engagierte Betriebe aus. Bewerben Sie sich oder nominieren Sie Betriebe, die engagiert sind unter www.mgb20.de #mgb20

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