Die Arbeitswelt verändert sich. Fortlaufend. Mal mehr, mal weniger schnell. Aber eines Tages wird sie eine andere sein. Unternehmen verändern sich ebenfalls, weil sie es wollen und weil sie es müssen. Denn, wer weiterhin für Arbeitnehmer attraktiv sein möchte, dem bleibt auch nichts anderes übrig.
Dass es in Deutschland an Fachkräften im Gesundheitswesen mangelt, ist kein Geheimnis. Daher müssen sich auch Institutionen wie Krankenhäuser Gedanken darüber machen, wie sie in Zeiten von New Work mithalten und als Arbeitgeber attraktiv bleiben können. Ein Plädoyer für Selbstführung, Ganzheit und evolutionären Sinn.
Die Gesellschaft unterliegt einem grundsätzlichen Wandel. Die Digitalisierung nimmt Fahrt auf und die Bevölkerung ist mit den Herausforderungen dieses Wandels konfrontiert. Wir bewegen uns in einer Zeit, in der kontinuierliches Wachstum durch andere Ideologien abgelöst wird, z.B. die Kreativökonomie oder Ökologie.
Dies zeigt sich auch im Werteindex des Zukunftsinstitutes aus Frankfurt. So hat der Megatrend „Natur“ von 2016 auf 2018 vier Plätze gut gemacht und steht nun als Top Megatrend der Zukunft an oberster Stelle. Der Megatrend „Erfolg“ hat in den letzten Jahren immer stärker abgenommen und befindet sich im Werteindex Ranking 2018 nur noch auf Platz 6. Die gesellschaftlichen Megatrends spiegeln sich über die Mitglieder der Gesellschaft in den Unternehmen wieder, somit auch im Gesundheitswesen.
Bildungsstand so hoch wie nie
Zu den Megatrends gehören auch die Wissenskultur, die Konnektivität, die Gesundheit und New Work. Zum Thema Wissensmanagement zeigt sich, dass die Wissensgenerierung am besten in dezentralen Strukturen funktioniert. Auch muss festgehalten werden, dass der globale Bildungsstand so hoch ist, wie noch nie. Wissen verliert seinen elitären Charakter. Die multifaktoriellen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt sind hoch und werden aller Wahrscheinlichkeit nach noch steigen.
Es zeigt sich immer deutlicher, dass es kollaborative Formen der Wissensaneignung gibt. Hierfür braucht es eine hohe Methodenkompetenz. Hier schließt sich der nächste Megatrend der Konnektivität an. Für Wissensgenerierung und Wissensaneignung, Wissensverbreitung und Wissensimplementierung braucht es Netzwerkkompetenzen.
New Work im Krankenhaus – passt das zusammen?
Alte Modelle von Arbeit weichen neuen flexiblen Formen. Dabei muss sich allerdings Jeder fragen, was er wirklich, wirklich tun will. Die wenigsten Menschen setzen sich mit dieser Frage konkret auseinander. Dies setzt aber auch den Wandel der Unternehmensstruktur voraus. Weg von Kommando und Zeitstrukturen, hin zum selbstbestimmten Handeln und digitaler Vernetzung.
New Work umfasst 5 zentrale Punkte:
- Bei der Strategieentwicklung werden Mitarbeiter mit einbezogen
- Moderne und demokratische Führungskultur
- Flexibilität
- Agilität
- Kreativer Arbeitsraum
Nun stellt sich die Frage, wie diese Themen in einem doch sehr hierarchisch geprägten Unternehmen wie einem Krankenhaus diskutiert werden können.
Dazu zuerst eine kurze Beschreibung wie Wissensmanagement verstanden werden kann. Einerseits wird die Organisation als Wissenssystem aufgefasst. Dementsprechend kann Wissensmanagement als zielgerichtete Gestaltung organisationaler Lernprozesse verstanden werden. Dazu braucht es eine hohe Agilität und Flexibilität. Demgegenüber steht die Aufbaustruktur eines Krankenhauses, die häufig in Säulen gedacht wird und aufgebaut ist.
Komplex bis chaotisch
In diesem Zusammenhang wird von Silo Organisation gesprochen. Silodenken steht für dominantes Abteilungsdenken und -handeln. Jede Abteilung wurschtelt, denkt und entwickelt für sich. Gedankenaustausch und grenzenlose Zusammenarbeit finden nicht statt, damit auch keine gemeinsamen Lösungen.
Für agile Strukturen braucht es allerdings kollaborative Organisationsformen. Häufig gibt es noch die Idee, dass die Kernleistung eines Krankenhauses durch Lean Prozesse organisiert werden kann. Dies entspricht allerdings wenig der Komplexität bzw. den chaotischen Anforderungen, die aufgrund des täglichen Bedarfes des Patienten definiert wird.
Standard Lean Prozesse funktionieren dann, wenn es weitreichende Klarheit über den Bedarf bzw. die Anforderung gibt und die Methoden, wie damit umgegangen wird, klar beschrieben sind. Die täglichen Anforderungen in der Patientenversorgung sind allerdings nicht einfach und nicht kompliziert sondern eher komplex bis chaotisch. Dies wiederum braucht eine andere Form der Agilität, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. Diese Form der Agilität stößt an die Grenzen einer versäulten Aufbauorganisation.
Steile Hierarchien funktionieren bei Abläufen von geringer Komplexität
Umso höher die Komplexität ist, braucht es mehr dezentrale Verantwortungsstrukturen, die in Netzwerken funktionieren können. Diese Herausforderung, Wissensmanagement auf der einen Seite in Krankenhausabläufe zu implementieren und parallel Organisationsentwicklung zu betreiben, ist eine enorme Kraftanstrengung. Allerdings scheint sie notwendig, da auch andere Unternehmen im Gesundheitswesen diese Ressource für sich erkannt haben.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden zukünftig schauen, welche kreativen Entwicklungsmöglichkeiten sie im Kontext ihres Arbeitslebens haben.
Die dem Militär angelehnte Aufbauorganisation eines Krankenhauses als Stablinienorganisation entspricht nicht den Anforderungen an eine dem besten Patienten-Outcome unterworfene Unternehmensausrichtung, sondern zementiert Machtstrukturen. Der akute Fachkräftemangel in den Krankenhäusern kommt daher nicht von ungefähr. Ein Grund dafür sind die wenig demokratischen Arbeitsbedingungen. Frederic Laloux beschreibt drei zentrale Bereiche wie Unternehmen ihren Wertekanon im Kontext der verändern sollten, um den Anforderungen an komplexe Situationen gerecht zu werden.
- Selbstführung
- Ganzheit
- Evolutionärer Sinn
Es braucht hohe Kompetenzen im Bereich der „Selbstführung“
Steile Hierarchien können in Unternehmen mit geringer Komplexität in der Produktion Sinn ergeben. Ansonsten braucht es hohe Kompetenzen im Bereich der „Selbstführung“. Es geht um weniger Machthierarchien und mehr um den Aufbau natürlicher Hierarchien über Beratungsprozesse. „Ganzheit“ entspricht der Anforderung, den Mitarbeitenden als Person ganzheitlich wahrzunehmen, um eine Entfaltung der Kreativität für den „evolutionären Sinn“ des Unternehmens zu schöpfen. Das Ganze kann zur Entwicklung von Leidenschaft für die eigene Arbeit führen.
Frithjof Bergmann spricht in diesem Zusammenhang, bei der Abstinenz von Leidenschaft im Arbeitskontext von „Arbeit als milde Erkrankung“. Wie bei einer leichten Erkältung, wo man dienstags hofft, dass es am Freitag wieder vorbei sein wird.
Vor diesem Hintergrund stehen Krankenhäuser vor einer großen Herausforderung. Mitarbeitende und potentielle Mitarbeitende werden in Zeiten des faktischen Arbeitskräftemangels überlegen, wie und wo sie arbeiten wollen. Bestehende Systeme zu verändern ist eine der schwierigsten betrieblichen Aufgaben.
Allerdings stellt sich die Frage, was Krankenhäuser machen, wenn vor Ihren Pforten Unternehmen entstehen, die Selbstführung, Ganzheit und evolutionären Sinn in ihrer DNA haben. Wahrscheinlich werden die Mitarbeitenden sich überlegen was sie wirklich, wirklich tun wollen.
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Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass der Artikel etwas mehr in die Tiefe geht, bin ich doch über etwas Interessantes gestolpert. Und zwar differenzieren Sie zwischen Lean und Agil. Leider wird das manchmal synonym verwendet. Sie weisen ganz richtig darauf hin, dass Lean nur bei klar definierten Prozessen, die ohne große Störfaktoren funktionieren, umgesetzt werden kann. Lean funktioniert daher nur in Teilbereichen (z.B. Einkauf), aber eben nicht in der direkten Patientenversorgung.
Ein wichtiger Hinweis, der leider viel zu oft viel zu kurz kommt.
Liebe Frau Jung,
danke für Ihren Kommentar. Ich bin sehr interessiert an Ihrer Arbeit Working out loud Healthcare. Wir veranstalten ca. zwei Mal im Jar einen Leuchtturm- und Baustellenworkshop wo wir den Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit geben ihre Projekt vorzustellen. Dies machen wir in unterschiedlichen Formaten (z.B. Poster-Slam und Poster-Walk). ich würde mich über einen Austausch sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Löhr
Es ermutigt mich, dass immer mehr benannt wird, was ansteht – bestehende Systeme zu verändern. Gemeinsam mit dem Autor John Stepper und 3 Mitstreiterinnen entwickeln wir Working out loud Healthcare. Ein Beitrag zu einer Arbeitswelt, die zufrieden macht.
Liebe Frau Jung,
da sind wir gern bei Ihnen.
Wir nehmen ebenfalls immer mehr Initiativen wahr, die die Chancen der Digitalisierung sehen und weniger die damit verbundenen Hürden. Ob im Gesundheitswesen, der Industrie, in der Wohlfahrt oder im Handwerk. Die Arbeitswelt näher an die Bedürfnisse der Menschen anzupassen, Prozesse klarer, kürzer und transparenter zu machen und gleichzeitig Räume für Austausch und die Verfolgung individueller Werte zu schaffen, dass ist ein weitreichender Transformationsprozess.
John Stepper und seine Mitstreiter bieten mit ihrem WOL-Konzept dabei eine Möglichkeit, diesem Wandel zu begegnen und ihn menschlich und bedürfnisorientiert zu gestalten.
Wenn Sie an einem weiteren Austausch dazu interessiert sind oder Ihre Perspektive einbringen möchten, dann melden Sie sich gern.
VG
Ihr Team von #ZukunftderArbeit