Statistiken zeigen: Auch flexible Arbeitszeit kann krank machen. Fehltage wegen psychischer Probleme sind in Deutschland auf dem Vormarsch und auch sonst weist die Tendenz beim Krankenstand nach oben. Umso dringender brauchen wir neue Ansätze für eine gesunde Arbeitswelt. Worauf es an verschiedenen Stellen ankommt, beleuchtet dieser Beitrag.

Entwicklungen kritisch hinterfragen und begleiten

Nach einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation werden jedes Jahr rund 374 Millionen Menschen weltweit durch ihre Arbeit krank oder verletzen sich im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit. In Deutschland geht die Tendenz beim Krankenstand seit 2006 relativ konstant aufwärts. Besonders eklatant ist hierbei der Anstieg von psychischen Erkrankungen. In einer Antwort der Bundesregierung wird beziffert, dass sich die Zahl der Krankentage wegen psychischer Probleme im Zeitraum zwischen 2007 und 2017 mehr als verdoppelt hat (von 47,9 auf 109,2 Millionen Krankheitstage). Für diese Entwicklung gibt es keinen monokausalen Erklärungsansatz. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich der Trend in Zukunft fortsetzen wird.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir neue Ansätze für eine gesunde Arbeitswelt. Wir sollten uns von hippen Überschriften lösen und Entwicklungen kritisch hinterfragen und begleiten.

Flexibilität ist kein Selbstzweck

Studien zeigen, dass flexible Arbeitszeiten tendenziell mit höheren Gesundheitsrisiken verbunden sind – wenn auch in eher geringem Ausmaß. Hervorzuheben ist hierbei, dass vollkommen selbstgesteuerte Flexibilität keine signifikant negativen Effekte hervorrufen soll.
Letzteres ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Ausgestaltung einer gesunden und flexiblen Arbeitswelt. Flexibilität muss mit der Belegschaft abgestimmt werden und passgenau auf die Arbeitnehmer zugeschnitten sein. Diese Herangehensweise ist eine notwendige, nicht aber eine ausreichende Bedingung für eine gesunde Arbeitswelt.

Selbstmanagement mit geeigneten Werkzeugen unterstützen

Flexible Arbeitszeitmodelle erfordern oft mehr Verantwortungsbewusstsein seitens der Mitarbeiter und bedürfen deshalb auch vorbereitender und unterstützender Maßnahmen. Flexible Arbeitszeiten machen aber auch ein effektives Selbstmanagement notwendig, um Berufs- und Privatleben in Einklang miteinander zu bringen. Auch in diesem Fall müssen Mitarbeiter geeignete Werkzeuge an die Hand bekommen, um die Herausforderungen erfolgreich meistern zu können.

Diese Betrachtungen zeigen, dass flexible Arbeitszeiten nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine methodische Komponente mit sich bringt. Die gesundheitlichen Auswirkungen hängen maßgeblich davon ab, wie mit diesen methodischen Komponenten umgegangen wird.

Konzept der Arbeitszeit neu vermessen

In Deutschland ist die 40-Stunden-Woche vielerorts noch Normalität. Die wöchentliche Arbeitszeit hängt jedoch stark von den jeweiligen Branchen ab. In Unternehmensberatungen oder PR-Agenturen wird weit über 60 Stunden pro Woche gearbeitet. Gerade in solchen Betrieben spielt die Quantität der Arbeitszeit eine wichtige Rolle. Andere Unternehmen, wie zum Beispiel Rheingans Digital Enabler, verfolgen eine andere Philosophie. Der Unternehmer Lasse Rheingans stellte seinen Mitarbeitern folgende Frage: „Wollt ihr weniger arbeiten und genauso viel verdienen?“ Seitdem wird dort der 5-Stunden-Tag im Selbstversuch praktiziert – bei gleichem Gehalt und Urlaubsanspruch.

Output versus Präsenz? Alles Frage der Arbeitsphilosophie

Solche Arbeitsphilosophien legen einen Fokus auf Effizienz und Output – nicht auf Präsenz. Der 5-Stunden-Tag wird nicht überall umsetzbar sein, jedoch erlaubt er eine andere Perspektive auf das Thema Arbeitszeit. Nicht die Zahl der Arbeitsstunden ist entscheidend, sondern die tatsächliche Leistung. Diese Perspektive verändert auch den Blick auf Überstunden, stundenlange Meetings usw. Im Kern geht es darum, Zeit besser und sinnvoller zu nutzen als bisher. Eine solche Arbeitsweise wird sich positiv auf die Menschen auswirken und auf ihre Gesundheit.

Ohne Gesundheit sieht New Work alt aus

Das Konzept bzw. der Begriff “New Work“ wird unter anderem mit flacheren Hierarchien in Verbindung gebracht. Der Claim dahinter ist ganz klar: Eine moderne Arbeitswelt braucht flache Hierarchien. Worüber jedoch seltener in diesem Zusammenhang gesprochen wird, sind die Schattenseiten einer solchen Ordnung.

Hierarchie kann auch entlasten

Stephanie Porschen-Hueck forscht zu diesem Thema seit Längerem und kommt in einem Interview zu dem Schluss, dass Hierarchie auch entlasten kann. Hierbei verweist sie auf den Arbeitsdruck, das Streben nach Selbstoptimierung sowie das Potenzial zur Selbstausbeutung. All diese Aspekte hätten bei fehlenden Spielregeln und Begrenzungen das Zeug, sich negativ auf die Gesundheit auszuwirken. Diese Sichtweise hält bislang wenig Einzug in die öffentliche Debatte zu New Work. Folglich muss in Zukunft die Debatte über agiles Arbeiten immer auch in einem Atemzug mit dem Thema Gesundheit geführt werden.

Gesundheitsmanagement fordert Betriebe heraus

In der Vergangenheit wurde das Gesundheitsmanagement in Betrieben vernachlässigt. Erst in den letzten Jahren hat es wirklich an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass sie sich angesichts der Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt um ihre Beschäftigten kümmern müssen. Hierbei geht es unter anderem darum, innerbetriebliche Abläufe zu verbessern oder Arbeitsbelastungen zu verringern. Darüber hinaus kann es von Bedeutung sein, gezielt die Steigerung der Arbeitszufriedenheit und der Mitarbeitermotivation anzugehen.

Langfristig können Unternehmen auf diesem Weg dazu beitragen, dass Mitarbeiter länger bei ihnen im Betrieb bleiben. Für immer mehr Arbeitnehmer werden nämlich solche “weichen“ Arbeitsfaktoren immer wichtiger.

Bedingung für eine wirklich schöne neue Arbeitswelt

Unsere moderne Arbeitswelt stellt Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor große Herausforderungen. Die beschriebenen Aspekte zeigen auf, dass eine gesunde Arbeitswelt an vielen verschiedenen Stellen geschaffen werden muss. Es ist eine Gestaltungsaufgabe, die eines ganz deutlich macht: Die Arbeit muss den Menschen und ihren Bedürfnissen dienen und nicht umgekehrt. Dieser Leitsatz ist die Bedingung für eine gesunde Arbeitswelt. Denn ohne Gesundheit ist alles nichts.

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