Arbeit 4.0 – in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)
Unsere Arbeitswelt steht vor tiefgreifenden Umbrüchen. Digitale Trends treffen auf den demografischen Wandel, gleichzeitig verändern Werte und gesellschaftliche Ansprüche die Arbeitswelt. Benötigt werden Strategien und Konzepte, um Beschäftigte auf lange Sicht gesund zu erhalten und ihre Kompetenzen zu fördern.
Doch Unternehmen sind häufig verunsichert, welche Präventionsstrategien für eine gesunde Arbeit 4.0 sinnvoll und überhaupt praktikabel sind. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) fehlt es an personellen und finanziellen Ressourcen für ein modernes Human Resources- und Gesundheitsmanagement, das die Anforderungen der Digitalisierung berücksichtigt.
Die neue digitale Ära
Internet der Dinge, Cloud-Computing, Robotik oder Big Data – das sind nur einige der Schlagworte, die eine neue digitale Ära in der Arbeitswelt ausrufen. Kaum ein Bereich der Arbeitswelt bleibt von Digitalisierungsprozessen unberührt. Bereits 83 Prozent der Beschäftigten nutzen digitale Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) an ihrem Arbeitsplatz, wie der BMAS-Monitor „Digitalisierung am Arbeitsplatz“ von 2016 zeigt.
Obwohl es bislang eher die größeren Unternehmen sind, die ihre Arbeitsabläufe und Geschäftsmodelle digitalisieren und Investitionen entschlossen vorantreiben, wird der technologische Wandel auch in KMU weiter voranschreiten.
Viel Bestreben in der Digitalisierung
Trotz allgemeiner Digitalisierungsbestrebungen ist weitestgehend unklar, welche tatsächlichen Auswirkungen digitale Kommunikationstechnologien auf unsere Gesundheit haben. Unbestritten ist aber, dass sich mit der Digitalisierung die Anforderungen an uns wandeln. Sei es, dass man sich mit einer schwer zu bewältigenden Menge an Informationen konfrontiert sieht oder viele Aufgaben gleichzeitig zu erledigen hat.
Eine Studie der Universität St. Gallen zeigt, dass die Digitalisierung mit erhöhten Konflikten zwischen Familie und Freizeit sowie mit emotionaler Erschöpfung einhergeht. Gleichzeitig ergeben sich mit der Digitalisierung auch Chancen. Zum Beispiel nehmen viele Beschäftigte wahr, dass sich mit den technologischen Neuerungen ihre Arbeitsleistung steigert, wie der BMAS-Monitor deutlich macht.
Wenn KMU in der Arbeit 4.0 erfolgreich sein wollen,….
kommen sie um Investitionen in die Qualifizierung und Gesundheit ihrer Beschäftigten nicht herum. Wissen und Gesundheit sind Ressourcen, die in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt wichtiger sind denn je. Doch wo anfangen? Welche Maßnahmen auf den Weg bringen? Wie alle beim Wandel der Arbeitswelt mit ins Boot holen? Nicht immer ist es für Unternehmen einfach, den Durchblick zu behalten – stehen sie doch einer schier unermesslichen Anzahl externer Beratungs- und Informationsangebote gegenüber.
Einbezug der Wissenschaft
Bei der Suche nach Lösungsansätzen sollten meiner Meinung nach Unternehmen viel häufiger auch wissenschaftliche Erkenntnisse einbeziehen. Es gibt bereits eine Vielzahl an Projekten, in denen Wissenschaft und Unternehmen gemeinsam praktikable Konzepte für eine gesunde Arbeit 4.0 entwickeln.
Um die konkreten Bedarfe für ein präventives HR- und Gesundheitsmanagement in KMU zu ermitteln, haben Arbeits- und Organisationspsychologen der Universität Heidelberg im Jahr 2016 eine qualitative Interviewstudie durchgeführt. Befragt wurden 88 KMU-Experten in 62 KMU deutschlandweit, vornehmlich Geschäftsführer, Personalverantwortliche und HR-Manager.
Wunsch nach Mehr
Die digitale Transformation ruft in den befragten KMU große Unsicherheit hervor – unabhängig von ihrem Kerngeschäft, ihrer Branche oder Größe. Während Industrie 4.0 in den befragten Unternehmen bislang noch keine Anwendung findet, erzeugen digitale Technologien den Wunsch nach Qualifizierung und einen gesundheitsförderlichen Einsatz.
Häufig berichten die KMU-Experten von einer Informationsflut, von einer skeptischen Haltung der Belegschaft gegenüber Digitalisierungsbestrebungen und der Problematik einer ständigen Erreichbarkeit aufgrund digitaler Omnipräsenz. Als zentrale Aufgabe sehen es die Verantwortlichen daher an, Beschäftigte im Umgang mit digitalen Technologien und Daten zu schulen. Allerdings fehlt es vielen KMU bisher an geeigneten Qualifizierungsmaßnahmen für ihre Mitarbeiter.
Skepsis und Angst durch Überforderung
Erschwerend kommt hinzu, dass vor allem ältere Beschäftigte oftmals skeptisch gegenüber digitalen Technologien sind oder sie gar ablehnen – was von den befragten KMU als Innovationshemmnis für die Digitalisierung bewertet wird. Als Grund wird die Angst vor Veränderungen oder die Sorge vor Überforderung durch IKT genannt.
Umso wichtiger ist es, dass Führungskräfte eine Vorbildfunktion einnehmen – denn sie sind Betroffene und Gestalter zugleich.
Aber auch Flexibilität ist ein wichtiger Aspekt,
um die Beschäftigten in der Arbeitswelt 4.0 mitzunehmen. Digitale Technologien bedingen, dass Beschäftigte jederzeit und überall arbeiten können. Die Experten unterstreichen daher die Notwendigkeit, neue Konzepte für eine flexible Arbeitsgestaltung im Unternehmen zu entwickeln. Sie halten es zudem für sinnvoll, bereits bestehende Maßnahmen in ein umfassendes Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) zu integrieren und in die Unternehmensstrategie einzubinden.
Eine große Herausforderung machen die KMU-Experten jedoch in der mangelnden Motivation der Belegschaft aus, sich an Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung oder Qualifizierungsangeboten zu beteiligen. Nur mit entsprechenden Motivations- und Kommunikationsstrategien kann es gelingen, das Thema Gesundheit nachhaltig im Unternehmen zu verankern.
Offen sein für etwas Neues
Sicherlich gibt es für einzelne Unternehmen keine Pauschallösungen. Allerdings lohnt es, sich vor Augen zu führen, welche Konzepte und Methoden für eine präventive Arbeitsgestaltung bereits bestehen oder derzeit erarbeitet werden – und möglicherweise für das eigene Unternehmen spannend sein könnten. In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierten Förderschwerpunkt „Präventive Maßnahmen für die sichere und gesunde Arbeit von morgen“ erarbeiten über 150 Projektpartner aus Wissenschaft, Wirtschaft und den Akteuren des Arbeits- und Gesundheitsschutz in 30 Projekten deutschlandweit Lösungsansätze für eine präventive Arbeitsgestaltung.
Die Themen umfassen gesunde Führung, die Analyse psychischer Belastungen am Arbeitsplatz oder die Nutzung von Assistenzsystemen und smarten Technologien.
Wissenschaftlich begleitet wird der BMBF-Förderschwerpunkt durch das Projekt MEgA, das in der Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Heidelberg unter Leitung von Prof. Dr. Karlheinz Sonntag angesiedelt ist. Mit den Erkenntnissen aus den beteiligten Projekten sowie der eigenen Forschung erarbeitet das Projekt MEgA eine Toolbox „Gesunde Arbeit 4.0“.
Die digitale Toolbox wird zukünftig Unternehmen Handlungsempfehlungen, Leitfäden und Tools bereitstellen. Mit dem Projektatlas „Arbeit 4.0 präventiv gestalten“ werden bereits jetzt Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze anhand von fünf Gestaltungsfeldern der modernen Arbeit aufgezeigt. Weitere Informationen finden sich unter www.gesundearbeit-mega.de.
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Spannend wird es, wenn man einen anderen Aspekt noch hinzuzieht: Man sollte nämlich bei der Betrachtung nicht außer acht lassen, dass sich auch das betriebliche Gesundheitsmanagement und damit gerade die Prävention durch die Digitalisierung weitentwickeln wird. Professor Badura hat hierzu in seinem aktuellen Buch und seinem Blog auf http://www.creating-corporate-cultures.org gerade schon ein paar Gedanken beigesteuert. In Kürze erfolgt hierzu noch eine Ergänzung i. S. eines Gedankenspiels. Aber die durch eine zunehmende Transparenz ermöglicht ganz innovative Methoden der Prävention, wirft aber auch neue Fragen auf. und wie steht es am Ende mit der Verantwortung : ist der Arbeitnehmer selber schuld, wenn er digitale Warnhinweise ignoriert? Welche Fürsorgeppflicht hat der Arbeitgeber? Zahlt überhaupt noch die Krankenkasse, wenn Warnsignale ignoriert wurden? Wie bemisst sich demnächst der Beitrag?