Ich bin nun fast 50 Jahre alt und gehöre absehbar der Gruppe der Silver Ager an. Dementsprechend liegt meine erste Begegnung mit einem Computer sehr weit zurück. Es handelte sich um einen Taschenrechner mit leuchtenden Dioden (magisch!) in den 1970er Jahren. Bis zum Ende der 1980er Jahre habe ich Computer fälschlicherweise nur mit Rechentätigkeiten in Verbindung gebracht. Das Betriebssystem DOS erschien mir keine ernsthafte Bedrohung menschlicher beruflicher Tätigkeit, konnte es doch zu der Zeit nicht mehr als Steuerung von frühen Textverarbeitungsprogrammen über Zeilenbefehle.

Mac und Atari schienen mir eine grafisch interessante Alternative, aber auch bei diesem reichte meine Fantasie nicht aus, um darin eine Konkurrenz für menschliche Arbeitskraft zu sehen. Zum Internet bin ich erst zu Anfang der 2000er Jahre gekommen. Vor gerade einmal circa sieben Jahren habe ich zum ersten Mal Kontakt aufgenommen zu sozialen Medien und Blogs – im Alter von 42 Jahren.

Zukunft der Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln

Vor Kurzem hielt ich einen Vortrag im öffentlich-rechtlichen Medienbereich vor einem älteren, kulturbeflissenen Publikum. Ich berichtete von verschiedenen Studien, die sich mit der Zukunft der Arbeit aus verschiedenen Blickwinkeln befasst haben. Da gibt es dann auf der einen Seite die äußerst pessimistische und schon ausreichend oft zitierte Oxford-Studie, die von einem dramatischen Einbruch der Beschäftigtenzahlen infolge der Digitalisierung ausgeht.

Auf verschiedenen Seiten im Netz kann man sich seinen eigenen Bedrohungs-Score anschauen und damit erfahren, wie gefährdet der eigene Job ist. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die von uns als Bertelsmann Stiftung herausgegebenen Studien, die unter anderem auf Ergebnissen einer internationalen Delphi-Studie des Millennium Project beruhen und die sich eher konstruktiv dem Thema nähern und fragen, inwiefern wir uns als Beschäftigte auf diese digitale Zukunft der Arbeit einstellen sollten.

Typisch deutsche Digitalphobie

Die Reaktion des Publikums war in weiten Teilen aber trotzdem eindeutig und von den Oxford-Ergebnissen geprägt: Das Internet ist eine Bedrohung für den Arbeitsmarkt und unsere Gesellschaft als Ganzes. Die Reaktion mag sicher zu einem Großteil mit dem hohen Durchschnittsalter der Anwesenden zu tun gehabt haben, steht aber symptomatisch für die inzwischen typisch deutsche Digitalphobie. Es ist aber gerade diese Weigerung, sich auf das Thema einzulassen, die am ehesten eine Situation auf dem Arbeitsmarkt herbeiführen wird, in der Menschen am Ende Verlierer der Digitalisierung sind.

Auch die Delphi-Experten gehen infolge der Digitalisierung von einem Anstieg (wenn nichts dagegen unternommen würde) der Arbeitslosigkeit auf global 25 Prozent aus (und liegen damit aber unterhalb der Oxford-Werte). Die Experten geben dem Leser aber auch Hausaufgaben auf, deren Abarbeitung dabei helfen kann, in dieser digitalen Zukunft zu bestehen. Der Lernfortschritt künstlicher Intelligenz erfolgt exponentiell. Jeder muss sich also für sich selbst fragen, inwiefern er eine Tätigkeit ausüben möchte oder kann, die nicht so leicht durch Roboter oder künstliche Intelligenz ersetzt werden kann.

Hierfür muss jeder in sich selbst hineinhören und sich fragen, wofür er steht, welche Werte ihn antreiben, was ihn bewegt, womit er andere Menschen bewegen will. Es wird nach dem Kern des eigenen Menschseins gefragt. Damit einher geht dann auch die Frage, wie die Gesellschaft zukünftig „Arbeit“ definieren möchte. Wird „Arbeit“ unter den gewandelten Bedingungen eher etwas, was dem Einzelnen dazu dient, sich zu „verwirklichen“, oder wird uns Arbeit durch Software aufgetragen? Wahrscheinlich ist nach Meinung der Experten eine Mischung aus beiden Entwicklungen. Am Ende stellen sie fest, dass sich diejenigen, die jetzt nicht auf den digitalen Zug aufspringen wollen, darauf einstellen müssen, sowohl von den digital Aktiveren als auch der künstlichen Intelligenz und den Robotern schon bald abgehängt zu werden.

Die Einstellung bestimmt die Zukunft

Ob man diese Ratschläge der Experten nun als Dystopie oder als Idealvorstellung einer Arbeitswelt von morgen betrachtet, hängt, so meine Erfahrung aus vielen Gesprächen, ganz entschieden von der eigenen Persönlichkeitsstruktur ab. Bin ich offen für Neues oder warte ich erst lieber ab, bevor ich mich zu etwas entscheide?

Der vielleicht aufkommenden Panik, schon bald durch einen Roboter oder eine Software ersetzt zu werden, kann man aber am besten dadurch begegnen, dass man sich offen der Herausforderung stellt, dass man die digitalen Realitäten, die weltweit eine ungeheure Dynamik erfahren, akzeptiert und dann neugierig bleibt, auch wenn die 50 Jahre schon überschritten worden sind.

Wie die kurze Schilderung meiner ersten Begegnungen mit dieser Technik zeigen sollte: Es ist nie zu spät. Denken wir an das Positive: mehr soziale Kontakte, mehr interkulturelle Erfahrungen, der Blick über den eigenen Tellerrand, die Erhöhung der eigenen fachlichen Reichweite und am Ende vielleicht auch eine Antwort auf die Frage, wofür ich als Mensch eigentlich stehe. Mit dieser inneren Einstellung brauchen wir die digitale Dynamik nicht zu fürchten. Die Welt wartet jedenfalls nicht auf den deutschen Kulturpessimismus.

Dieser Beitrag ist zuerst bei „digitalesarbeiten.de“ erschienen.

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