Oder: „In Dösbaddel mitn warktüüg is immer nochn Dösbaddel“, wie man bei uns im Norden sagt.

Gut, ich kann diese Feststellung auch nicht mehr hören. Ich dachte bis vor einigen Jahren, dass ich sie aus meinem Gebrauch streichen könnte. Zu sehr wurde das in meinem Umfeld inflationär eingesetzt.

Jetzt muss ich feststellen, dass der Ausdruck im Umfeld von Arbeiten 4.0 für mich wieder größere Bedeutung bekommt.

Arbeiten und Industrie 4.0

Viele Einträge dieses Blogs zum Thema Arbeiten 4.0 beschäftigen sich mit der Dynamisierung von Märkten, Kundenanforderungen und Mitarbeiteranforderungen, hervorgerufen durch dem Wunsch nach digitaler Transformation und Industrie 4.0, durch Wettbewerbs- und Innovationsdruck, durch den demographischen Wandel, Generation XYZ, Digital Natives, usw. Und, egal wie wir das nennen, was da draußen ist. Die wirklich wichtige Erkenntnis ist, dass es da draußen ist und das drinnen, nämlich alles hinter der Unternehmensgrenze beeinflusst. Und dass, wenn Unternehmen hier nicht antizipieren können, ihr Erfolg endlich sein wird.

Damit Unternehmen erfolgreich ihren Zweck erfüllen, haben sie sich eine Organisation geschaffen, die mit Strukturen, Werkzeugen und Methoden ausgestattet ist. Die sind so gestaltet und implementiert, dass die Organisation möglichst effizient ihren Zweck erfüllen kann. Dabei benutzt die überwiegende Anzahl von Unternehmen ein tayloristisch geprägtes Denkmodell ihrer Organisation. Die Wissenschaftler Glas/Lievegoed nennen es das „differenzierte“ Modell, denn es teilt die Arbeit auf, in Abteilungen, Bereiche, Stellen und vergibt Verantwortungen in die definierten Teile. Es ist das, was wir gemeinhin unter einer Hierarchie, einem Top-Down- oder command-and-control Modell kennen. Auch die Matrixorganisation gehört dazu. Wesentlich ist die Idee, dass durch die Aufteilung von Arbeit und Verantwortung effizient gearbeitet werden kann.

D.h., möglichst ohne Interessenkonflikte, ohne Entscheidungsstau, ohne Verantwortungswirrwarr, ohne dauernder Überlastung einzelner Teile, ohne nicht-erfüllbare Kundenwünsche, ohne Mangel an Kapazitäten und Mitarbeitern.

Probleme als Dauerzustand

Es lässt sich aber feststellen, dass genau diese Punkte immer häufiger in Organisationen anzutreffen sind und dass sie sehr oft als Dauerzustand akzeptiert werden. Das geht soweit, dass die Organisation mehr mit sich selbst beschäftigt ist, als sich um den Erfolg am Markt zu kümmern. Glasl/Lievegoed stellen die Erstarrung der Organisation fest.

Die Erstarrung der Organisation behindert den möglichen Erfolg am Markt und damit auch direkt alle Beteiligten der Organisation. Der Sinn der Tätigkeiten geht verloren, Bezug zur Wertschöpfung verschwindet, Frust wächst, Überarbeitung steigt, Schuldzuweisungen und Verantwortungsrangeleien nehmen zu. Es gibt einen Mangel an passenden Mitarbeitern, Mangel an Wettbewerbsfähigkeit, Mangel an Innovationskraft, Mangel an Anpassungsfähigkeit und Mangel an „Kultur“.

Das äußert sich dann in z.B. folgenden Problemen:

  1. „Unsere Mitarbeiter tun sich schwer, Entscheidungen selbst in die Hand zu nehmen und sich was zu trauen. Wir im Management haben vor einigen Monaten beschlossen, dass wir den Mitarbeitern mehr Freiräume geben müssen. Und dass wir die Motivation aller fördern müssen, da eine interne Umfrage ergeben hat, dass nur sehr wenige sich wirklich mit dem Unternehmen identifizieren. Viele machen hier nur ihren Job.“
  2. „Unser Unternehmen ist nicht in der Lage die passenden Mitarbeiter für unsere Teams zu gewinnen. Wir betreiben zwar mit viel Aufwand Employer Branding, haben unseren Rekrutierungsprozess konzernweit modernisiert und  standardisiert und kommen dadurch zu vielen Kontakten und Neueinstellungen. Aber im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass die neu eingestellten Mitarbeiter nicht in die Teams passen. Das führt zu Frustration, Performanceverlusten innerhalb der Teams, Trennungen während der Probezeit und erhöhten HR-Aufwänden.“
  3. „Die Digitalisierung innerhalb unserer Branche führt dazu, dass wir laufend neue Kundenanforderungen erhalten. Um diese schnell zu befriedigen, müssten unsere Abteilungen besser miteinander kommunizieren und wir müssten interne Synergien besser nutzen. Dazu haben wir ein Projekt aufgesetzt, das eine verbesserte Kommunikation von Teams aus unterschiedlichen Bereichen zum Ziele hat. Das aber nicht den gewünschten Erfolg hat. Zwar wird zwischen den Abteilungen mehr kommuniziert, aber die Entscheidungen werden dennoch immer wieder an das Management „eskaliert“.

Wie wär’s mit Goodies?

Diese Problembeschreibungen lassen sich natürlich noch weiter analysieren. Letztlich springt einem die Lösung aber quasi ins Gesicht, oder?

  1. Damit die Mitarbeiter mehr selbstständig Entscheiden braucht es bestimmte Inzentives, um dies zu fördern. Um die Motivation zu erhöhen, könnte man über Goodies nachdenken, die man den Mitarbeitern zur Verfügung stellt. Sie können einen Teil der Arbeitszeit mit eignen Projekten verbringen. Oder man könnte mehr interne Veranstaltungen planen.
  2. Die Kommunikation zwischen den Fachbereichen und der HR-Abteilung muss verbessert und intensiviert werden, damit HR besser versteht, was die Fachbereiche benötigen. Dazu werden Kompetenzprofile erstellt und in Assesments mit den Bewerbern abgeglichen.
  3. Hier braucht es eine besseres Change Management. Anscheinend ist den Abteilungen noch nicht klar geworden, wie wichtig es ist, dass sie besser kommunizieren und eigenständige Entscheidungen treffen.

Bingo! Bäm! Geht doch!

Mitnichten geht das! Nix Bingo und Bäm!

Alle Vorschläge werden, wenn überhaupt, nur zu kümmerlichen Veränderungen, geschweige denn Verbesserungen führen.

A fool with a tool is still a fool.

Organisationen, deren Umfeld sich von „planbar und übersichtlich“ (Industrialisierung) auf „überraschend und wenig vorhersehbar“ (Digitalisierung und Wissensgesellschaft) geändert hat, kann man nur verbessern in dem man neue „Tools“ anwendet. Und diese Tools entspringen einem anderen, differenzierteren Bild von Organisation und Führung. Einem Bild, dass die Arbeit in Organisationen in formal-planbare Teile (werden immer weniger) und komplex-überraschende Teile (werden immer mehr) aufteilt. Und das in den komplex-überraschenden Teilen eine integrierte, sich in vielen Teilen selbstorganisierenden Organisation mit einer hohen Transparenz in das Marktgeschehen und der Anerkennung von Veränderung als etwas im positiven Sinne Unabdingbares fördert. Glasl/Lievegoed nennen es das integrierte Modell. Etwas moderner kann man von einem dynamikrobusten Unternehmen sprechen.

Mit diesem Modell im Kopf sehen die Probleme anders aus:

  1. „Unsere Mitarbeiter tun sich schwer, Entscheidungen selbst in die Hand zu nehmen und sich was zu trauen. Es war ein Fehler, dass wir die Entscheidung des Managements zu mehr Freiräumen isoliert von allen anderen Mitarbeitern getroffen haben. Ich habe den Eindruck, dass dadurch mehr Demotivation entstanden ist. Wir haben es versäumt mit den Menschen im Unternehmen in den Dialog zu treten. Im Weg steht uns dabei immer wieder die fehlende Zeit.“
  2. „Unser Unternehmen ist nicht in der Lage, die passenden Mitarbeiter für unsere Teams zu gewinnen. Unser Rekrutierungsprozess ist zu zentralisiert und standardisiert. Für die Vertragsarbeit ist das ok. Aber die Entscheidungen werden zu weit weg vom Team getroffen. Es entscheidet nicht die Person mit der höchsten Dringlichkeit und Nähe zum Problem. Damit können wir auch nicht schnell genug auf die Anforderungsänderungen der Teams Rücksicht nehmen und es kommt zu Fehleinstellungen.“
  3. „Die Digitalisierung innerhalb unserer Branche führt dazu, dass der Wettbewerb härter wird und wir laufend neue Kundenanforderungen erhalten und Kunden schneller beim Wettbewerb kaufen. Die Kollegen im Vertrieb sind damit überfordert und versuchen den Kunden einfach das, was wir haben, zu verkaufen. Oder sie werden unsicher und halten viel Rücksprache mit den Teams. Das verzögert den Vertriebsprozess und hemmt die Innovation, die wir eigentlich dringend brauchen. Wir haben im Vertrieb eine eher parasitäre Haltung und sind noch weit davon entfernt, die Nähe zum Kunden für Innovationen zu nutzen. Hier müssen wir die Teams mehr in den Kontakt mit den Kunden bringen und uns die Frage stellen, was „Vertrieb“ für uns bringt.“

Lösungsansätze mit mehr Erfolg

Durch die Beschreibung der Probleme mit Hilfe eines Denkmodells und Lösungsraumes, der Dynamik und Selbstorganisation in den Vordergrund stellt, entstehen Lösungsansätze, die in einer dynamischen Unternehmensumwelt eine deutlich höhere Chance auf Erfolg haben.

Die Basis dieses Denkmodells und Lösungsraumes sind eine hohe Transparenz in die Bedürfnisse und Reaktionen der Märkte, der Kunden und aller Stakeholder, eine Unterscheidung von Arbeit in formal-planbar und komplex-überraschend sowie eine daraus resultierende Orientierung zu Selbstorganisation autonomer Teams. Nicht Einzelleistung sondern Teamleistung kann erfolgreich mit Überraschungen umgehen. Nicht Stellenbeschreibungen und klassische Karrierepfade zeigen den Weg durch die Organisation, sondern flexible Rollen und eine Orientierung an der Wertschöpfung. Wertschätzung und Wertschöpfung müssen dicht beieinanderstehen.

Wir sollten uns zum Thema Arbeiten 4.0 und vor allem zu den Themen der Umsetzung immer wieder die Frage stellen, welche Tools aus welcher Denkwelt wir gerade einsetzen. Wir brauchen weniger Dösbaddels und mehr Tick, Trick und Tracks.

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